„Woyzeck“-Premiere in Bonn Endspiel in der Halle Beuel

BEUEL · Das Bonner Schauspiel freut sich auf die „Woyzeck“-Premiere am Sonntag – und über gestiegene Zuschauerzahlen. Was erwartet das Publikum? Keine staubtrockene Büchner-Deutung, im Gegenteil. Dafür steht der in Bonn geborene Regisseur Simon Solberg.

 Im Hamsterrad: Probenfoto von Simon Solbergs „Woyzeck“-Inszenierung in der Halle Beuel.

Im Hamsterrad: Probenfoto von Simon Solbergs „Woyzeck“-Inszenierung in der Halle Beuel.

Foto: Thilo Beu

Jens Groß ist entspannt. Als leitender Dramaturg und Stellvertreter von Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp ist er 2015 zum Bonner Schauspiel gestoßen. Bis Bramkamp, die derzeit Elternzeit wahrnimmt, im Mai wieder die Geschäfte führt, ist Groß der Herr über das Sprechtheater.

Sein Fazit nach den ersten Monaten: „Es läuft sehr, sehr gut.“ Die Statistik weise steigende Zuschauerzahlen aus. Zwischen September 2015 und Januar 2016 habe das Schauspiel – verglichen mit dem gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor – mehr als ein Drittel zusätzliche Besucher begrüßen können Das bedeute rund 15.000 Zuschauer mehr im Theater.

Bevor Jens Groß von Köln nach Bonn wechselte, schwächelte Bramkamps Theater. Manche entdeckten in der Berufung des Kölner Chefdramaturgen und stellvertretenden Intendanten Signale für ein Ende der Ära Bramkamp in Bonn. Daran war nichts. Nicola Bramkamp habe ihn überzeugt, sich ihrem Team anzuschließen, stellte Groß im April 2015 fest.

Er komme nicht nach Bonn, um die Kollegin, die er seit längerem schon kenne und schätze, abzulösen. Ein „sehr ambitioniertes, junges Team“ wollte Groß mit seiner langjährigen Erfahrung an zahlreichen Bühnen ergänzen.

Das scheint gelungen zu sein. Viel Arbeit in „aufregenden Zeiten“ habe er in seine neue Aufgabe investiert, erzählt er im Gespräch. Die Standortentscheidung für das Sprechtheater – Hauptspielstätte Kammerspiele, Aufgabe der Halle Beuel – habe die Situation des Hauses und die Stimmung im Ensemble stabilisiert. Es bleibt aber eine Wunde zurück.

"Schmerzlicher Verlust der Halle Beuel"

Groß spricht vom „schmerzlichen Verlust der Halle Beuel“, in der am Sonntag die letzte, bereits ausverkaufte Premiere, Büchners „Woyzeck“, über die Bühne geht. Doch Verlust ist auch Gewinn, es sei endlich Ruhe eingekehrt, die Zukunft des Schauspiels erscheine wieder kalkulierbar. Groß freut sich über die gute Zwischenbilanz, macht Technik und Schauspielern ein Kompliment, die sich „unglaublich reingehängt“ hätten.

Groß weiß, das Kunst ohne Akzeptanz beim Publikum resonanzlos bliebe und sich selbst zur Disposition stellen würde: „Wir müssen uns an den Zahlen messen lassen.“

Mit dem „Woyzeck“ Regisseur Simon Solberg, der 1979 in Bonn geboren wurde, verbinden Groß gemeinsame Theatererfahrungen. Er hat Solberg als Schauspielschüler in Essen entdeckt, empfindet sich „ein bisschen als Ziehvater von ihm“. Was erwartet uns? Keine staubtrockene Büchner-Deutung, im Gegenteil. „Starke Bildersprache“, „sehr heutige Bilder“, sehr projekthafte Arbeit“, „ein großes Spiel“ – der Schauspieldirektor deutet an, wohin die Theaterreise in der Halle Beuel gehen könnte.

Anfang 2014 hat Solberg Schillers „Kabale und Liebe“ am Kölner Schauspiel inszeniert. Unser Kritiker Hartmut Wilmes staunte über die vielen Einfälle des Regisseurs. Das Fazit der „Kabale und Liebe“-Kritik: „Nein, das ist kein Schiller für Puristen. Aber die entscheidende Frage, nämlich ob Klassiker heute noch zu uns sprechen, beantwortet diese so übertourte wie energiestrotzende Inszenierung mit einem kräftigen Ja.“

Jens Groß kann schwärmen von den „ganz energetischen Aufführungen“ Solbergs, von großer Poesie und Assoziationskraft. Alle Sinne würden angesprochen. Aber: Der Regisseur erzähle immer die Geschichte der Stücke. Woyzeck bleibt Woyzeck.

Premiere von „Woyzeck“ am Sonntag, 18 Uhr, in der Halle Beuel (ausverkauft). Danach 3., 6., 7., 12., 17. und 20. März. Karten: Bonnticket-Shops der GA Zweigstellen.

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