Tindersticks im Gloria in Köln Englische Elegien

Köln · Wie im Philharmoniekonzert, nur enger: Die Band Tindersticks im Gloria in Köln. Stuart A. Staples, der Sänger und Kopf der englischen Band ist überragend

 Schmerzhaft schön: Stuart A. Staples im Kölner Gloria.

Schmerzhaft schön: Stuart A. Staples im Kölner Gloria.

Foto: Thomas Brill

Stuart A. Staples ist kein Mann für lange Zwischentexte. Der Sänger und Kopf der englischen Band Tindersticks hauchte beim Konzert im Kölner Gloria ein paar Mal ein „Thank you“ ins Mikrofon, und das war es eigentlich. Bis auf eine Ausnahme. Vor dem Song „Hey Lucinda“ vom neuen Album „The Waiting Room“ betonte Staples, dies sei ein besonderer Moment für ihn.

Das Lied sei vor einigen Jahren in Köln entstanden, und zwar draußen vor dem Gloria. Staples hat es als sanft-sinnliches Duett mit der Sängerin Lhasa de Sela aufgenommen, es blieb lange unveröffentlicht. Der Hintergrund: Lhasa de Sela starb Anfang 2010 mit 37 Jahren an Krebs.

Staples sang beide Stimmen des Duetts, der Vortrag war schmerzhaft schön. Verlust, Krankheit und Tod gehören zu wiederkehrenden Motiven der Tindersticks, die Anfang der 1990er Jahre die popmusikalische Bühne betreten haben. Sie bauen elegische, minimalistisch ausgestattete Klanggebäude. Darin sind extreme Gefühle zu Hause: Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit, Schmerz und Euphorie, Ekstase und Zerrissenheit. Dem Sog ihrer meditativen, oft melancholischen Songs kann sich der Zuhörer nicht entziehen. Im Gloria herrschte denn auch andächtige Aufmerksamkeit. Es war so ruhig wie im Philharmoniekonzert – nur viel enger. Staples und Kollegen sind Perfektionisten, sie unterziehen ihre Songs immer wieder einer kritischen Revision. Aber Perfektion bedeutet nie marmorne Glätte. Risse, Verletzungen und Wunden bleiben stets spürbar. Das instrumentale Vorspiel „Follow Me“ und der erste Song, „Second Chance Man“, reichten aus, um die Zuhörer gefangen zu nehmen. Der kristallklare Sound im Gloria hat dabei geholfen.

Der Abend bot vieles zwischen Pianissimo und Fortissimo, leiser Intensität und explosiven Ausbrüchen. Die Adaption des Peggy-Lee-Klassikers „Johnny Guitar“ entfaltete eine geradezu hypnotische Wirkung. „We Are Dreamers!“ entwickelte die Band – neben Staples spielten David Boulter, Neil Fraser, Earl Harvin und Dan McKinna – als surrealen Albtraum. Es war, als würden riesige Bagger über private Utopien und ehrgeizige Entwürfe hinwegrollen.

Die Zeile „Don’t let me suffer“ aus dem Song „The Waiting Room“ artikulierte Staples’ von der Orgel begleiteter Bariton wie ein aus leiser Verzweiflung geborenes Gebet. Die Lichter im Gloria erloschen zum Ende des Lieds, und die Musik erstarb. Das kann keiner besser als die Tindersticks.

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