Ausstellung im Kolumba-Museum Entdeckungen nach Restaurierung

Köln · Die begeisternde Jahresausstellung im Kölner Kolumba-Museum steht unter dem Motto „Individuum“. Sie zeigt eine mittelaterliche Skulpturengruppe in originaler Farbigkeit.

 Archivoltenfiguren aus dem Petersportal des Kölner Domes

Archivoltenfiguren aus dem Petersportal des Kölner Domes

Foto: dpa

Sie sind wirklich nicht schön, die vier Kölner, die da im Halbkreis stehen, einander zugewandt oder ziemlich abweisend. Sie sind nicht schön, waren aber höchst bedeutsam und sind es wieder. „Die Vier Gekrönten“, eine Gruppe von jeweils rund 40 Zentimeter hohen, farbigen Sandsteinstauetten sind die Entdeckung der mittlerweile zehnten Jahresausstellung in Kolumba, dem Museum des Kölner Erzbistums. Denn nach sieben Jahren Restaurierung zeigen die um 1445 vermutlich von dem Kölner Bildhauer und Dombaumeister Konrad Kuyn geschaffenen Patrone der Steinmetze und Bildhauer endlich ihr wahres Gesicht.

In mühevoller Kleinarbeit wurden Verschmutzung und nachträgliche vereinheitlichende Farbschichten entfernt und wurde die originale Farbigkeit freigelegt. Eine Überraschung: Die Vier sind, dem Stand von Bauexperten und Spezialisten im Mittelalter angemessen, prächtig gekleidet, haben einen sehr lebendigen, frischen Teint und durchaus individuelle Gesichtszüge. Was sie zu Stichwortgebern der Jahresausstellung macht. Denn es geht um das Individuum.

Im Entree empfängt eine Armada bunter Spielzeugroboter den Besucher, was Kolumba-Chef Stefan Kraus gar nicht lustig findet, sondern als Metapher für eine Welt sieht, in der Roboter, künstliche Intelligenzen, Algorithmen und dergleichen mehr die Individualität verdrängen, die Freiheit einschränken. Es sei eine politische Ausstellung, meint er, die unter einer Fragestellung stehe: „Welches Gegenbild empfiehlt die Kunst von dem, was Menschsein heißt?“ Politik hin, Politik her, Kolumba demonstriert erneut große Klasse und belegt ihre originelle Sonderstellung im Konzert der Kunstmuseen.

Wobei die alte Kunst diesmal besonders begeistert. Nicht nur die wiederentdeckten Vier von der Dombaustelle setzen ein Ausrufezeichen, es sind vor allem die 25 Figuren aus dem Bogen des Petersportals vom Kölner Dom, die man so noch nicht gesehen hat. Sie haben die starre Ordnung und Hierarchie des Portals verlassen und sind im größten Raum von Kolumba so arrangiert wie in einzelnen, lockeren Gesprächsrunden.

Auge in Auge mit der mittelalterlichen Kunst

1978 wurden diese Originale durch Kopien ersetzt und in der legendären Parler-Ausstellung im Museum Schnütgen präsentiert. Meisterwerke der Bildhauerkunst des späten 14. Jahrhunderts von Heinrich Parler und Kollegen: Auge in Auge kann man diese sehr individuellen Menschenstudien nun bewundern. Begeisternd auch eine vieräugige, alienhafte Dreifaltigkeit des Barock, die im Ostturm auf Chris Newmans eigenwillige Kopien etwa von Mark Rothko und Philip Guston treffen.

Newman ist einer von drei eingeladenen Künstlern, die die Schau bereichern. Kurt Benning breitet zum einen seine bizarre Recherche über das Leben und die Hinterlassenschaften eines Einzelgängers aus, zum anderen stellt er eine Auswahl seiner spannenden Videoporträts interessanter Zeitgenossen vor. Unbedingt sehenswert. Martin Assig schließlich zeigt 94 Blätter, die zwar Paul Klee gewidmet sind, jedoch mit eindringlichen symbolhaften Motiven und knappen Botschaften obsessiv um Assigs Innenwelt kreisen.

Verblüffende Parallelen tun sich auf zwischen Assigs Bildmeditationen und Andachtsbildchen vom Barock bis heute sowie der „Lauretanischen Litanei“, ein 56-teiliges Kupferstichwerk von 1781. Aus Zeit und Raum gefallen wirkt die „Cella mit Küchenbaum“ des Kölners Stefan Wewerka, eine witzige, verwinkelte Wohnlandschaft auf engstem Raum.

Die Ausstellung schwenkt mit diesem gebauten Traum wieder auf das Thema Individuum ein. Fast bis zur Decke breitet sich im Südturm ein kanonisches Tableau aus 71 Tellern von Bernhard Johannes Blume aus, Worte wie „Reine Vernunft“, „abstrakt“, „Seele“ und „Amen“ sind zu lesen. Gegenüber steht ein prächtiger Nürnberger Altar des 15. Jahrhunderts, der das Wertegefüge jener Zeit ikonografisch delikat in Bildern auffächert.

Zwei Höhepunkte dieser unbedingt sehenswerten Ausstellung, die nur einen Schwachpunkt hat: Im Jahr, in dem Jannis Kounellis 80 wird, gerät dessen goldene Wand mit Hit und Mantel „Tragedia civile“ zur Tragödie. Denn Chris Newman verstellt sie vollständig mit einer Arbeit, die als Hommage gedacht ist. Grobes Foul, rote Karte!

Kolumba, Köln; bis 14. August 2017. Mi-Mo 12-17 Uhr

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