Leitmotiv des Konzerts: Die Liebe Erasure begeistert im Kölner E-Werk

Köln · Das englische Synthie-Pop-Duo Erasure bringt im ausverkauften Kölner E-Werk das Publikum zum Tanzen - mit Hits aus den 1980er Jahren.

 Er kann das tragen: Erasure-Sänger Andy Bell.

Er kann das tragen: Erasure-Sänger Andy Bell.

Foto: Thomas Brill

Früher war mehr Lametta, im konkreten Fall mehr Party. Beim ausverkauften Konzert des englischen Duos Erasure im E-Werk kommt zwar regelmäßig jubelnder Beifall auf, doch die Ausgelassenheit, mit der der Federboa-Synthie-Pop einst gefeiert wurde, ist heute einer gewissen Zurückhaltung gewichen.

Während früher die Exaltiertheit von Andy Bell dominierte, ist es heute eher der Habitus von Vince Clarke, der im Anzug mit Krawatte instrumental das musikalische Geschehen steuert. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass dieses Früher, als Bell und Depeche-Mode-Gründungsmitglied Clarke zusammentrafen, mittlerweile gut 30 Jahre her ist. Und auch die Fans sind natürlich älter geworden.

Unter dem Jubel des Publikums eröffnet „Oh L'Amour“ das Konzert, herzzerreißend beschreibt der frühe Hit von 1986 den Liebeskummer eines Jungen. Überhaupt fungiert das Thema Liebe mit seinen beglückenden wie schmerzvollen Aspekten gleichsam als Leitmotiv für das gesamte Konzert.

Bell, der gesanglich von den Sängerinnen Valerie und Emma flankiert wird, überzeugt nicht nur mit einer abwechslungsreich intonierenden Stimme – selbst das Falsett gelingt ohne Anstrengung –, sondern ist auch gut bei Sprache. Mit verblüffend guten Deutschkenntnissen, deren Fehler hohen Unterhaltungswert haben, kündigt er ein Liverepertoire quer durch die bisherige Karriere an.

„Just A Little Love“ ist der erste Song vom im vergangenen Mai veröffentlichten Album „ World Be Gone“ und wird von einem in pink Kunstnebel wunderbar kitschig eingehüllten Andy Bell einfühlsam präsentiert.

Vor „Chains Of Love“ entledigt sich der 53-jährige Sänger seines Jacketts und tänzelt fortan im glitzernden Pailletten-Minikleid über die E-Werk-Bühne, wobei er sich zwar von seinen neuen, noch etwas rutschigen Schuhen gehandicapt fühlt, die selbstironische Grandezza einer alternden Drag Queen jedoch noch immer perfekt ausstrahlen kann.

Optisch abgehoben, von einem Bühnenbalkon aus, jedoch musikalisch immer mittendrin, liefert Vince Clarke Synthie-Sounds, die vor allen Dingen mit ihrem rhythmischem Ideenreichtum überzeugen. Flächige Keyboard-Schwaden, deren einzig auf eingängige Melodik geeichte Belanglosigkeit wie Honig die Gehörgänge verkleben, werden gekonnt vermieden. Hier und da wird es zwar etwas schwülstig, doch nie überfrachtet. Nach dem Titelsong „World Be Gone“ geht es mit „Who Needs Love Like That“ erwartungsgemäß wieder zurück in die Karrierefrühzeit von Erasure.

Zum Finale wird die Hit-Frequenz mit „Blue Savannah“, „Always“ und „Sometimes“ spürbar dichter, und immer mehr Fans trauen sich zu tanzen. Als dann als bejubelte Zugabe „A Little Respect“, immergrüne Hymne der Schwulen- und Lesben-Bewegung, erklingt, wird ein weiterer Aspekt des Songs deutlich. Respekt verdienen Erasure nämlich auch dafür, dass sie es nicht bei einer reinen Nostalgieshow belassen, sondern dem Synthie-Pop noch immer musikalisch Substanzielles hinzufügen können.

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