Erotische Anspielungen und Poledance-Stangen im Bonner Kunstverein

Die in Berlin lebende Kanadierin Shannon Bool zeigt in Bonn "The Inverted Harem II". Ob betrunkene Teppiche, mit Stoff bezogene Raumteiler oder Das Projekt hat viel zu bieten: erotische Anspielungen, betrunkene Teppiche oder aber vielseitige Ornamente: Das Projekt hat viel zu bieten.

Erotische Anspielungen und Poledance-Stangen im Bonner Kunstverein
Foto: Franz Fischer

Bonn. Es lohnt sich doch manchmal, in alten Texten zu stöbern: "Evolution der Kultur ist gleichbedeutend mit dem Entfernen des Ornamentes aus dem Gebrauchsgegenstande", schrieb Adolf Loos vor mehr als 100 Jahren und beklagte sich, dass die Welt ihm diese Erkenntnis nicht gedankt habe, dabei wollte er doch nur "neue Freude in die Welt" bringen.

"Ornament und Verbrechen" hieß der umstrittene Text über die "Sklaverei des Ornaments". Die Verwendung von Schnörkeln und Mustern galt hinfort lange Zeit als Sakrileg. Und die inhaltliche Bedeutung, die auch Loos dem Ornament zubilligt, verlor sich. Das Ornament sei der Uranfang der Kunst, das "Lallen der Malerei. Alle Kunst ist Erotisch".

In dieser Ursuppe der Kunst tummelt sich die in Berlin lebende Kanadierin Shannon Bool, die im Bonner Kunstverein ihren "Inverted Harem II" aufgeschlagen hat. Das ist ein Experimentierfeld mit allerlei erotischen Anspielungen. Vier etwa als "Girl, Interrupted" oder "Twisted Sister" bezeichnete Poledance-Stangen, die gewöhnlich in Sex-Bars, inzwischen aber auch in Fitnesscentern zu finden sind, empfangen die Besucher.

Jede Stange wurde bearbeitet, künstlerisch individualisiert und gleichzeitig für akrobatische oder erotische Rekelübungen unbrauchbar gemacht. Zwei mit Anzugstoff bezogene Raumteiler sollen die Herrenwelt symbolisieren, die wohl derartige Etablissements aufsucht. Man muss nicht alles verstehen wollen.

Überzeugender ist Shannon Bools Reaktivierung des von Loos einst so negativ bewerteten Ornaments. Mit großem Aufwand entwickelt die 38-Jährige die Sprache der Muster und Zeichen neu. Feine Seidenmalerei, die sich mitunter in unzähligen Schichten aufbaut, geht dem Ursprung des Ornaments nach, der im kultischen Zeichen liegt.

Shannon Bool lässt den Erzengel Michael als byzantinischen "Commander" aufmarschieren, zeigt schemenhaft die düstere Hindu-Göttin Kali in einem Bild, das auch dann Bedrohlichkeit suggeriert, wenn man nicht weiß, wer da zu sehen ist. Kali ist, wie viele Zeichen auch, ein ambivalentes Phänomen: Sie ist die Göttin des Todes, der Zerstörung, aber ebenfalls der Erneuerung, so wie Zeichen gleichermaßen Schutz wie Warnung bedeuten können.

Eine erste Intuition der Künstlerin mischt sich mit akribischer Motivrecherche, dann geht die Arbeit über in eine Collage, die am Computer entsteht, schließlich folgt die delikate Ausführung auf höchstem handwerklichen Niveau.

Raffiniert entwickelt Shannon Bool auch ihre Bodenarbeiten, Teppiche, die sie nach bewusst verwackelten, unsauber montierten Handyfotos oder vorgefundenen Mustern in anatolischen Werkstätten nach traditioneller Technik fertigen lässt.

Kunsthistorische Bonbons sind der nachgeknüpfte Teppich aus Jan van Eycks Lucca-Madonna aus dem Frankfurter Städel oder die Kopie einer ornamentalen Tischdecke aus einem Vasenbild Hans Memlings, das der Sammlung Thyssen Bornemisza in Madrid gehört.

Von diesen Motiven zu einem "betrunkenen" Teppich (Shannon Bool) aus einem Londoner Pub, zu Schneekristallen im Separee und einer wie eine Hydra multiplizierten Doris Lessing ist nur ein kurzer Weg. "The Inverted Harem II" hat viel zu bieten.

Bonner Kunstverein, Hochstadenring 22; bis 24. April. Di-So 11-17, Do bis 19 Uhr. Künstlergespräch am 14. April, 18 Uhr.

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