Etruskische Schätze in Bonn

Akademisches Kunstmuseum breitet Funde zur ersten italienischen Hochkultur aus - 250 Objekte rund um Leben, Glauben, Sterben ausgestellt

Etruskische Schätze in Bonn
Foto: Museum

Bonn. Zwar hatte sich schon Kaiser Claudius im 1. Jahrhundert n. Chr. historiografisch mit den Etruskern befasst; die wissenschaftliche Etruskologie setzte jedoch erst um 1800 ein. Während sie in Italien eine eigenständige Disziplin darstellt, ist sie hierzulande nur an wenigen Universitäten der Klassischen Archäologie eingegliedert; und zu ihnen zählt die Universität Bonn mit der einzigen Professur dieses Faches und mit ihrer großartigen Antikensammlung.

Sie wiederum bildet die materielle Grundlage für die Ausstellung "Rasna - Die Etrusker" im Akademischen Kunstmuseum. Aus rund 800 meist unveröffentlichten etruskischen Artefakten haben Martin Bentz und sein studentisches Team 250 Objekte ausgewählt, um die drei großen Kapitel "Leben", "Glauben" und "Sterben" aussagekräftig zu bestücken - aber auch um die Rasna, wie sich die Etrusker selbst nannten, von ihrem Attribut "rätselhaft" zu befreien. Denn immerhin lassen sich wegen ihrer Nähe zum griechischen Alphabet 90 Prozent der überlieferten Inschriften entschlüsseln.

Auch glaubt man inzwischen das Rätsel ihrer Herkunft mit einer allmählichen "Volkswerdung" aus einheimischen und eingewanderten Stämmen zu lösen, die um 700 v. Chr. abgeschlossen war. Eines ist sicher: Die Etrusker schufen die erste Hochkultur auf italienischem Boden; sie entwickelten eigene soziale und politische Strukturen. In ihrer Blütezeit trieben sie Handel mit Ländern zwischen Ostsee und Nil. Ihren Wohlstand verdankten sie ihren fruchtbaren Ländereien in Mittelitalien und den reichen Metallvorkommen.

Die "noblen" Griechen allerdings sahen auf die etruskischen "Barbaren" herab, fanden sie neureich und ungehobelt, obwohl sie sich doch ihren und anderen kulturellen Einflüssen öffneten. Sehr anschaulich wird dieses Phänomen in Keramiken griechischer Provenienz und ihren etruskischen Adaptionen: etwa einer etruskisch-schwarzfigurigen Olpe (Kanne) nach griechischem Vorbild. Umgekehrt wurde aber auch ein griechischer Kyathos (Schöpfgefäß) nach etruskischem Modell gefertigt.

Das Kapitel "Leben" führt in den Handel, überdies in Männer- und Frauenwelten, die sich durch Waffen einerseits, Spiegel und Schmuck andererseits erschließen. Leben aber bedeutet insbesondere Symposion oder Gelage der Wohlhabenden mit allen notwendigen Requisiten. Ihr Pantheon bevölkerten die Etrusker mit olympischen Göttern, denen sie eigene Namen gaben. Verehrung erfuhren auch neue "ungriechische" Götter. Der mythische Held Herakles erlangte besondere Popularität, was durch Bronzestatuetten, Keramikreliefs und die Vasenmalerei belegt wird.

Durch Votivgaben gedachten die Rasna ihre Götter günstig zu stimmen. Mit geweihten Nachbildungen von Körperteilen - Augen, Herz, Brust, Uterus, Fuß - appellierten sie an die Kräfte der Gottheiten. Auch die zahlreichen Votivköpfe des 4.-1. Jahrhunderts v. Chr. lassen sich als Ansprache an die Götter deuten, wohl als Bitte oder auch als Dank für gewährte Wohltat. Unsicher ist, ob die geschmückten unter ihnen Götter oder Sterbliche darstellen; und ebenso bleibt derzeit noch die Interpretation einer Statuenurne des späten 5. Jahrhunderts v. Chr. offen: ist sie Göttin, Ahnin oder die Verstorbene selbst?

Stilistisch weist diese archäologische Rarität nach Griechenland. Ihre Funktion und die beigegebene Sphinx ordnen sie der Sepulkralkunst zu, ohnehin der wichtigsten Quelle der Etruskologie. Häufig unterscheiden die Beigaben Männer- von Frauengräbern. Ein kompletter um 650/20 v. Chr. datierter Fundkomplex lässt wegen der Doppelung einiger Trinkgefäße ein Grab für ein Paar vermuten. Vielleicht wird diese Erwägung durch die Malerei auf einer um 700 v. Chr. entstandenen bauchigen Kanne gestützt, die Mann und Frau in intimer Szene zeigen - eine kleine archäologische Sensation, denn in Griechenland kannte man solche erotischen Bilder erst 100 Jahre später.

Ein Modell liefert eine kleine Typologie etruskischer Grabbauten. Betreten aber kann man den Nachbau der gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. ausgestatteten "Tomba François". Dieses unterirdische Kammergrab nimmt als Haus für die Tote die Form eines Wohnbaus auf. Wäre schon dieser Grabbau einen Besuch der Ausstellung wert, so sollte man auch nicht die zeitgenössische Antwort der Künstlerin Anja Schindler auf die etruskischen Antiken versäumen.

Akademisches Kunstmuseum Bonn bis 15. Februar; Dienstag bis Samstag 15 bis 18, So 11 bis 18 Uhr; Katalog 20 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Ein Virtuose mit viel Gefühl
Konzert mit Bruce Liu in der Philharmonie Köln Ein Virtuose mit viel Gefühl
Aus dem Ressort