Im Schloss Birlinghoven Eva Scheurer und Rudolf Kowalski präsentierten Kaffeehausliteratur

SANKT AUGUSTIN · Elegant und stilprägend sowie zeitlos und ungeschminkt zugleich ist sie, die Kaffeehausliteratur. Liebhaber jener Werke, Fragmente und Aphorismen, die vornehmlich von Autoren stammen, die in Wiener Kaffeehäusern ein zweites Zuhause und eine kreative Schreibstätte gefunden hatten, kamen am Samstagabend auf ihre Kosten.

 "Küss die Hand": Das Schauspieler-Ehepaar Eva Scheurer und Rudolf Kowalski entführte sein Publikum mit Literatur und Musik in eine längst vergangene Zeit.

"Küss die Hand": Das Schauspieler-Ehepaar Eva Scheurer und Rudolf Kowalski entführte sein Publikum mit Literatur und Musik in eine längst vergangene Zeit.

Foto: Thomas Heinemann

Im Schloss Birlinghoven empfing das Sankt Augustiner Schauspielerehepaar Eva Scheurer und Rudolf Kowalski das Publikum zum gleichnamigen Themenabend mit einem "Küss die Hand". Das Schmunzeln im Publikum, gefolgt von einem euphorischen Begrüßungsapplaus, verriet sofort, dass sich Scheurer und Kowalski nicht hätten vorzustellen brauchen. Sie taten es dafür in jener vornehmen Weise aus der Blütezeit der großen Wiener Kaffeehäuser, wie man sie heute hierzulande vermisst - und wie man sie in einer Coffee-to-go-Selbstbedienungsfiliale wohl nie erfahren wird.

Scheurer und Kowalski hatten den Abend dem Wiener Schriftsteller, Kritiker und Übersetzer Alfred Polgar gewidmet. Dessen feingeistige Beobachtungen seiner Mitmenschen, liebe- und detailvoll in Worte verpackt und mit subtilem Humor und leiser Ironie verziert, haben bis heute wenig an zwischenmenschlicher Würze verloren: Wie schrecklich ernüchternd Liebesgeschichten eigentlich sein können, trieb Polgar etwa mit dem Zuruf einer Frau "Unterhalte dich gut!" zu ihrem Mann auf die Spitze: War es ein lieb gemeinter Gruß? Oder steckte dahinter mehr? Ein Wunsch? Missgunst? Eifersucht?

Polgar ließ dem Gedanken freien Lauf, Eva Scheurer und Rudolf Kowalski gaben mitunter amüsante Annäherungen einer Antwort gerne ans Publikum weiter. Das wiederum durfte gleich zu Beginn selbst aktiv werden: Zum Charakterstück "Heinzelmännchens Wachtparade" des Komponisten Kurt Noacks war Mitschunkeln und Mitklatschen ausdrücklich erwünscht. Kaum besser hätte das Schauspielerehepaar die Werke Polgars begleiten lassen können als mit dem noch jungen Salon-Ensemble Petersberg.

Mit dessen unaufdringlich-ergreifender Salonmusik vom "Wiener Blut" und der "Annen Polka" von Strauss oder Emile Waldteufels "Die Schlittschuhläufer" war die literarisch-musikalische Zeitreise ins Wien längst vergangener Tage perfekt. Da war das noble, wenngleich beengte Ambiente des Birlinghovener Schlosssaals mehr als bloße Kulisse, sondern das i-Tüpfelchen auf einen begeisternden Abend.

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