Pianistin Lucy Jarnach spielt morgen beim Schumannfest Familiengeschichte in Tönen

Der Augenblick vor einem Auftritt ist für jeden Musiker eine Situation höchster Anspannung. In dem Musikvideo "Im Freien" sieht man eine junge Frau in einem roten Kleid auf einem Stuhl vor einer eisernen Doppeltür sitzen. Der Blick dieser Frau wirkt konzentriert, aber auch schreckhaft angespannt.

 Pianistin Lucy Jarnach und ihr Instrument.

Pianistin Lucy Jarnach und ihr Instrument.

Das durch den Türspalt vom Konzertpodium her einfallende Licht beleuchtet eine Partitur, die auf ihrem Schoß liegt. Als ein loses Blatt hinunterfällt, versucht sie es zu greifen, doch es wird wie durch einen Windhauch immer weiter hinausgeweht. Hinaus in die Natur. Ins Freie. Und dazu erklingt Béla Bartóks Klavierstück "Mit Trommeln und Pfeifen" aus dem Zyklus, dessen Titel "Im Freien" dem Musikvideo wie auch der 2013 erschienen Debüt-CD der jungen Pianistin Lucy Jarnach den Titel gab.

Die 1987 in Hamburg geborene Musikerin, die morgen Abend beim Schumannfest in Endenich zu hören sein wird, hält gerne die Fäden in der Hand. Ob es um ihre vor zwei Jahren bei AVI erschienen Debüt-CD geht, zu der sie selbst den Booklet-Text schrieb und auch das Coverdesign in enger Zusammenarbeit mit einer Grafikerin mitgestaltete, oder um das aus aus dem CD-Projekt hervorgegangene Musikvideo, wo sie als Regisseurin und Hauptdarstellerin in Personalunion unterwegs war.

Filme zu machen bedeutet der Musikerin Lucy Jarnach sehr viel. Derzeit plant sie eine Dokumentation über ihren Großvater, den Komponisten Philipp Jarnach, von dem sie auch ein paar Stücke in Bonn spielen wird. Mit seiner Musik ist Lucy Jarnach aufgewachsen. "Meine Mutter, die mich unterrichtet hat, bis ich zur Musikhochschule in Hamburg ging, hat mich schon sehr früh die ,Zehn kleinen Klavierstücke' spielen lassen", erzählt Lucy Jarnach.

Seine Musik zu spielen und zu hören war für die Enkelin immer eine lebendige Verbindung zu ihrem 1982 im Alter von 90 Jahren verstorbenen Großvater. In seinem langen Leben war er großen Musikerpersönlichkeiten wie Claude Debussy und Maurice Ravel begegnet. Jarnach folgte Anfang der 20er Jahre Ferruccio Busoni nach Berlin, wo unter anderem Kurt Weill zu seinen Schülern zählte. Von dort wechselte er 1927 nach Köln an die Musikhochschule, wo er bis 1950 blieb. "Seine musikalischen Ideale haben in meiner Entwicklung eine starke Rolle gespielt", sagt die Enkelin und nennt beispielhaft Mozart und Bach als Referenzen.

Insofern ist ihr morgiges Programm auch ein bisschen Familiengeschichte und passt deshalb besonders zum diesjährigen Motto des Schumannfests "Familienbande": Bachs "Chromatische Fantasie und Fuge" kommt darin vor, Mozarts Fantasie in c-Moll ebenfalls. Aber eben auch Musik von Philipp Jarnachs selbst, seine Sonatine über eine alte Volksweise und die Klavierstücke op. 17. Und dazwischen eines der schwierigsten Stücke der Klavierliteratur überhaupt: Ravels "Gaspard de la nuit". "Auch was den Ausdruck angeht, verlangt einem das Stück alles ab", sagt sie.

Das Musikvideo "Im Freien" endet übrigens mit einer Sequenz, in der sich die Pianistin nach der kleinen Odyssee endlich an den Flügel setzt. Kurz bevor die Finger die Tasten berühren, ist der Film aus. Die Musik schweigt, wo sie eigentlich beginnen sollte. "Das wird im Konzert aber nicht passieren", verspricht Lucy Jarnach.

Schumannhaus, Freitag, 29. Mai, 20 Uhr: Lucy Jarnach, klavier, spielt Werke von Bach, Haydn, Mozart Ravel und Philipp Jarnach. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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