Karfreitagskonzert in der Beethovenhalle Fesselnde Interpretation von Antonin Dvoráks Requiem

BONN · George Bernard Shaw, dessen scharfzüngige Musikkritiken zu lesen immer ein Vergnügen ist, war nicht gerade ein Fan von Antonin Dvorák. Über dessen Requiem befand er: "völlig langweilig" und "unglaublich uninspiriert". Einem solchen Verdikt wird man nicht zustimmen wollen, aber es könnte immerhin aufzeigen, dass Dvoráks Vertonung der Totenmesse nicht ganz unproblematisch ist.

 Der tschechische Dirigent Tomás Netopil spürte mit dem Beethoven Orchester kleinsten Schattierungen der Musik nach.

Der tschechische Dirigent Tomás Netopil spürte mit dem Beethoven Orchester kleinsten Schattierungen der Musik nach.

Foto: REINBOLD

Das nahezu hundert Minuten lange Werk verweigert sich über weite Strecken dem virtuosen Furor, wie ihn etwa die ungleich populäreren Requien von Verdi oder Berlioz bevorzugen.

Auch das Karfreitagskonzert des Beethoven Orchesters in der voll besetzten Beethovenhalle machte dies deutlich: Dem Dvorák-Requiem ist nur beizukommen, wenn sich ein Orchester auf das Spiel der Klangfarben versteht, wenn man kleinsten Schattierungen nachspürt. Der tschechische Dirigent Tomás Netopil, Musikchef des Prager Nationaltheaters und von der nächsten Spielzeit an Generalmusikdirektor in Essen, war der ideale Vermittler einer solchen Vorgehensweise.

Ihm gelang mit dem Orchester, in dem die ausdrucksstarken Holzbläser besonders gefordert waren, eine fesselnde Interpretation, die von einer ruhigen, kantablen Grundlinie bestimmt war, ohne die gelegentlichen dramatischen Zuspitzungen zu unterschlagen.

Schrecken und Angst sind Dvoráks Sache hörbar nicht, der erste Teil des Requiems mit seinem weitgespannten Dies Irae bleibt in seiner Düsternis ein ganzes Stück hinter dem Melodienreichtum des Folgenden zurück. Dvorák ist da zu Hause, wo es Zukunftsfroheres zu vertonen gilt, die Musik wird im Verlauf des Requiems sozusagen immer böhmischer, versagt sich auch Ausflüge ins Idyllische und Tänzerische (Sanctus) nicht.

Kein Wunder, dass hier die eigentlichen Höhepunkte der Bonner Aufführung lagen: im harfenbeseelten Offertorium, im jubelnden Hosanna, im wunderschön meditativen Pie Jesu und im kontrastreichen Agnus Dei.

Der Philharmonische Chor der Stadt Bonn (Einstudierung Thomas Neuhoff) hatte mit der umfangreichen Partitur nicht die geringsten Schwierigkeiten. Das Ensemble singt ausgesprochen klangschön, ohne Schärfen, das Piano hat durchweg große Tragfähigkeit, im Forte wirkt nichts überstrapaziert. Den schönsten Moment hatte man in der einzigen Fuge des langen Werkes, im schnell und zupackend genommenen "Quam olim".

An die Spitze des Solisten-Quartetts möchte man die ukrainische Mezzosopranistin Lena Belkina stellen, eine junge Sängerin mit viel Potenzial und eindringlicher, stets nobel eingesetzter Gestaltungskraft.

Talia Ors Sopran wirkte, bei aller Dramatisierungskunst, ein wenig unausgeglichen, Charles Reid (Tenor) sorgte für den nötigen Glanz und Jan Stava für ein sehr stabiles Bass-Fundament.

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