NRW-Nchwuchsfestival “West Off“ zum 12. Mal im Theaterim Ballsaal Performance-Künstler lesen „Die letzte Messe“

Bonn · NRW-Festival „West Off“ startet kommende Woche im Theater im Ballsaal mit drei Stücken

 Zwischen Wirklichkeit und Märchen: Szene mit Alina Rhode und Anna Möbus aus „Happy ever after“.

Zwischen Wirklichkeit und Märchen: Szene mit Alina Rhode und Anna Möbus aus „Happy ever after“.

Foto: Carolin Charlotte Pfänder

Wenn sich ab dem 12. Januar zum zwölften Mal Nachwuchsensembles der freien Theaterszene Nordrhein-Westfalens zum Fesival „West Off“ im Theater im Ballsaal treffen, ist sich die Kuratorin und Dramaturgin der Veranstaltungsreihe, Svenja Pauka, sicher, Theater auf der Höhe der Zeit anbieten zu können: Die Ensembles brächten ausschließich Themen auf die Bühne, sagt sie, „die zurzeit gesellschaftlich verhandelt werden“.

So zieht Carolin Charlotte Pfänder in dem Stück „Happy ever after. Und wenn sie nicht gestorben sind...“ Parallelen zwischen der heutigen Lebenswirklichkeit von Frauen und der dargestellten Lebenswelt von Frauen in alten Märchen. Man muss sich da auf ein bitter ironisches bis schmerzhaftes Spiel mit Klischees gefasst machen, wenn sich die beiden Darstellerinnen Alina Rhode und Anna Möbus auf die Spuren von Rotkäppchen, Dornröschen und Blaubart begeben und dabei unterschiedliche Aspekte von Gewalt gegen Frauen erforschen. Bei ihrer Performance kommen auch Videoelemente zum Einsatz, wenn zum Beispiel Kamerafilter die Darstellerinnen als Disney-Figuren verfremden.

Ein kleines bisschen Horrorshow

Auch ein kleines bisschen Horrorshow ist dabei, weshalb es eine ausdrückliche Triggerwarnung gibt. Wobei Pfänder und ihre Partnerinnen jedoch ausdrücklich zwischen den gezeigten Horrorelementen und einer Darstellung von Gewalt gegen Frauen auf der Bühne unterscheiden, die sie grundsätzlich ablehnen. „Happy ever after“ wird am Mittwoch, 12. Januar, und am Donnerstag, 13. Januar, jeweils 20 Uhr, im Ballsaal gezeigt.

In „Die letzte Messe – Ein Gottesdienst für die schließende Kirche“ geht es um eine große Lebensenttäuschung. „Wir erleben hier eine Art Abrechnung“, verrät Svenja Pauka über die Produktion des aus Yasemin Peken und Christian Minwegen bestehenden Duos „fachliche unarten“ aus Bochum. Inhaltlicher Treibstoff des Stücks ist die Jugend Minwegens. Der Künstler war in ganz jungen Jahren nicht nur begeisterter Kirchgänger, sondern auch als Ministrant, Firmling und sogar Pilger mit ganzem Herzen bei der Sache. Doch nun, nachdem die Kirche wegen ihrer Haltung etwa zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat, veränderte sich auch sein Verhältnis zur Kirche. Nun will er, wie es in der Ankündigung heißt, „eine letzte Messe für die alte Weggefährtin“ halten, „um ihr am Ende die noch offenen Fragen zu stellen“. Und er möchte sein Publikum ermutigen, die Kirche durch eine echte Zäsur hinter sich zu lassen „und Gott endlich bei sich und den Mitmenschen statt in Gebäuden und Institutionen zu suchen“. Die Aufführung findet am Freitag, 14. Januar, 20 Uhr, statt.

Niemandes Land

„Es wird ziemlich viel Erde auf den Boden des Ballsaals gekarrt“, verrät Svenja Pauka über das Stück „Niemandes Boden – O chão de ninguém“ des im Ruhrgebiet ansässigen Brasilianers Gabriel Carneiro. Und sie bittet im Auftrag des Künstlers darum, dass jeder Zuschauer auch ein Gefäß voll Erde zu der Performance mitbringen möge.

In „Niemandes Land“ geht es um die Geschichte des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais und die des Ruhrgebiets, die der Bergbau miteinander verbindet. Während die ehemaligen Zechen im Kohlenpott zu Kulturstätten erklärt wurden und Schauplatz von Ausstellungen und theatralen Ereignissen werden, gehe die Zerstörung der Natur durch den Bergbau in Minas Gerais unvermindert weiter, erläutert Pauka und erinnert an das durch den Abbau von Eisenerz verursachte Schlammlawinen-Unglück in der brasilianischen Kleinstadt Brumadinho, das 2019 mindestens 270 Menschenleben kostete und weite Teile der Natur zerstörte. Zu sehen ist die Performance am Samstag, 15. Januar, 20 Uhr.

Ergänzt wird das West off-Gastspiel, das anschließend nach Köln und Düsseldorf weiterzieht, um ein weiteres Stück, „These are a few of my favorite things“ von und mit Patricia Bechtold und Johannes Karl, das am Sonntag, 16.Januar, im Rahmenprogramm zu sehen sein wird.

Karten gibt es bei bonnticket.de

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