Bonn Jazz Orchester im ausverkauften Pantheon Casino Festlicher Schmelz beim Heimspiel

Bonn · Bereits während der großspurigen, schillernden Auftaktnummer "Groovin' Hard" von Don Menza spendiert das Publikum mehrfach Zwischenapplaus mit Jubelrufen. Das Pantheon Casino ist beim dritten Besuch des Bonn Jazz Orchesters (BJO) bis auf den letzten Notschemel ausverkauft. Es ist ein Heimspiel, es gibt Vorschusslorbeeren und es wird ein Triumph.

Als Gäste haben sich Marcus Schinkel (Piano) und der Posaunist Andy Hunter von der WDR Big Band eingefunden. Schon mit "Walking Tiptoe" koloriert das 17-köpfige Ensemble erste intensive atmosphärische Klangbilder: Neonschilder im Nebel, hochgeschlagene Trenchcoatkragen, aufflammende Sturmfeuerzeuge, die whiskygehärtete Visagen illuminieren.

Während der "Sound-sketch" von Bob Florence ganz sanft, glänzend und perlend serviert wird - wie sorgfältig temperierter Moët & Chandon. Mit "The First One" widmet sich das BJO anschließend Ludwig van Beethoven, genauer gesagt, Auszügen aus dem ersten Satz aus Beethovens Erster Symphonie.

Dies ist Teil des Beethovenprojektes von Marcus Schinkel, der sich mit allen neun Symphonien des berühmtesten Bonner Sohnes auseinandersetzt und Extrakte für den Jazz arrangiert. Die im Pantheon Casino zu Gehör gebrachte Version ist zusätzlich auf Big Band justiert worden.

Ganz entzückend gerät die Jazzballade "If You Could See Me Now", welche das BJO nachhaltig als Stimmungsprofis ausweist. Bevor das Ensemble auf den Höhepunkt des Abends zusteuert: "Can You?", einen neu komponierten Jazzstandard. Die Musiker lassen Klangbilder entstehen, die den affinen Zuhörer via Kopfkino in die goldene, ausschweifende Ära Hollywoods entführen: spätes Dinner und mitternächtliches Dessert im "Biltmore"; Damen, Drinks und Zigarren im "Trocadero"; Katerfrühstück im Chateau Marmont.

Und der schneeweiße Auburn Speedster parkt vor dem düster-legendären Hotel, auf dem Rückspiegel ein halb verschmierter Lippenstift-Kussmund.

Das BJO bietet fürwahr großes Kino mit sattem, mitreißendem, punktgenauem Sound, der beinahe die Wände des Pantheon Casinos wegdrückt, so voluminös kommt er angeflogen - raumakustisch freilich bleibt das alles höchst erfreulich. Die Truppe ergeht sich nicht in instrumentalen Muskelspielchen, sondern beweist ein feines Gespür für atmosphärische Maserungen und Nuancen.

Zum Schluss werden die Beatles und deren "Norwegian Wood" zitiert: festlicher, beschwingter Schmelz aus vollen Rohren mit einem übermütigen Finale.

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