Fettes Brot: Der Erfolg ist einfach passiert

Das Hamburger Trio Fettes Brot lockt alte und neue Fans in Scharen in die großen Konzerthallen. Im Juni ist Köln an der Reihe.

 Fettes Brot: König Boris, Björn Beton und Doktor Renz.

Fettes Brot: König Boris, Björn Beton und Doktor Renz.

Foto: ap

König Boris, Doktor Renz und Björn Beton sind volljährig geworden. Seit 18 Jahren gibt es Fettes Brot. Mit „Fettes“ und „Brot“ hat das Trio, das sich längst nicht mehr ausschließlich auf HipHop festlegen lässt, ein doppeltes Live-Album am Start. Gleichzeitig gehen die wortstarken Hamburger in großer Besetzung auf Tournee.

Aufgrund der großen Nachfrage musste in zahlreichen Städten umdisponiert werden: Der Kölner Termin wurde sogar zwei Mal verlegt - vom E-Werk ins größere Paladium und schließlich in die ganz große Lanxess Arena. Und im Mai spielen die drei Fußballfans zum Geburtstag ihres Lieblingsvereins auf. Mit König Boris sprach Steffen Rüth.

General-Anzeiger: Boris, Ihr habt unlängst auf dem Betzenberg in Kaiserslautern angeguckt, wie eure Lieblingsmannschaft St. Pauli 0:3 untergegangen ist. Steigen die trotzdem auf?

Boris: Ich sag mal: Die Chancen stehen so gut wie lange nicht mehr. Aber noch ist der Drops nicht gelutscht.

GA: Inklusive der Begleitband besteht Fettes Brot auch aus elf Mann. Welchem Fußballteam seid ihr am ähnlichsten?

Boris: Natürlich St. Pauli. Ich bin mit dem Verein aufgewachsen. Ich wohne fünf Minuten vom Stadion entfernt, gehe seit 20 Jahren zu den Spielen. Ich fühle mich dem Stadtteil und dem Team einfach verbunden.

GA: Was ist so besonders an diesem Verein?

Boris: St. Pauli ist anders als die anderen. Genau wie wir auch. Wir haben es in 18 Jahren noch nicht geschafft, uns mit uns selbst zu langweilen. Aber dafür tun wir auch viel: Wir strengen uns an.

Fettes Brot live Köln, Lanxess Arena, 12. Juni, 20 Uhr. Eintritt ab 29,90 Euro. Karten in den GA-Ticketshops Hamburg, Stadion Millerntor „100 Jahre FC St. Pauli“. 29. Mai. Info: www.fcstpauli100.comLive: Seit 2006 geht das Trio in

großer Besetzung auf Tour

GA: Feiert ihr mit dem Livealbum eure Erwachsenwerdung als Band?

Boris: Nein, der Zeitpunkt war Zufall. Wir sind seit 2006 mit der kompletten Liveband unterwegs und finden, dass da wirklich etwas Tolles entstanden ist. Deshalb wurde es höchste Zeit, den Leuten das Konzerterlebnis zum Mitnachhausenehmen an die Hand zu geben. Viele haben uns auch richtig dazu gedrängt.

GA: Stimmt die Geschichte, dass eure Steuerberaterin die Idee hatte?

Boris: Die Idee kam schon von uns selbst (lacht). Aber es stimmt, dass wir zusammen an der Steuer saßen und sie meinte, ein Livealbum von uns sei „übernotwendig“. Nicht, um Geld zu verdienen.

GA: Sondern?

Boris: Wegen der Musik.

GA: Bei den Aufnahmen merkt man erst richtig, wie viele Hits Fettes Brot über die Jahre angesammelt hat: „Jein“, „Nordisch By Nature“, „Schwule Mädchen“, „Emanuela“, „Bettina“ und viele mehr. Überrascht euch das selbst?

Boris: Ja, es ist erstaunlich.

GA: Wieso ist das Album in einer blauen und einer roten CD erschienen?

Boris: Das war eine ästhetische Entscheidung. Man hätte auch ein ganz normales Doppelalbum mit Plastikklappe machen können, aber wir hatten genug Songs für zwei Alben und haben uns dann an Bands wie Beatles oder Guns ‘n‘ Roses orientiert, die auch zwei Alben gleichzeitig auf den Markt gebracht haben.

GA: Ist das mit Liveband ein ganz anderes Ding auf der Bühne?

Boris: Ja. Früher waren wir live nur mit Turntables und drei Mikros unterwegs. Mit der kompletten Band kann man eine ganz andere Spontaneität den Tag legen. Wenn man plötzlich eine Coverversion von „London Calling“ machen will, dann macht man das einfach. Das ist nicht möglich, wenn man nur mit Plattenspieler auf der Bühne steht.

GA: Liegt das Erfolgsrezept darin, dass Fettes Brot nie bequem geworden ist?

Boris: Wir machen das aus Eigeninteresse. Wir sind so. Wir sind neugierig, hören viel Musik, lesen viel Zeitung und lassen uns vom aktuellen Geschehen beeinflussen. Auch andere Bands finde ich toll, wenn sie mit der Zeit gehen und sich auch mal Sachen trauen.

GA: Wen zum Beispiel?

Boris: Tausende. Momentan höre ich am liebsten Miike Snow (ein Trio aus Stockholm, das sich tatsächlich mit Doppel-i schreibt; Anm. d. Red.). Das ist eine ganz tolle Platte.

GA: Zu euren Konzerten kommen alle Altersklassen. Wie erspielt man sich ein so vielfältiges Publikum?

Boris: Es ist wohl eine Mischung aus alten Fans, die mitgewachsen sind, und jungen Leuten, die uns neu entdecken. Wir haben ein Crossover-Publikum, das sind Leute, die verschiedene Arten von Musik gut finden. Mittlerweile kommen auch Eltern mit ihren Kindern und manchmal sogar Omas und Opas. Das finde ich zwar ein bisschen merkwürdig, aber schön. Uns gibt es halt auch schon lange. Außerdem sind unsere Tickets wahnsinnig günstig.

GA: Warum ist es komisch, wenn Rentner oder Familien kommen?

Boris: Na ja, man hat eigentlich den Anspruch, ein bisschen Rock ‘n‘ Roll zu sein und Musik zu machen, mit denen Kinder ihre Eltern erschrecken. Aber ich glaube, mittlerweile sind auch die Eltern nicht mehr alle uncool. Manche haben sogar einen richtig guten Musikgeschmack. Auch von uns dreien ist ja schon der eine oder andere Vater. Wir sind trotzdem cool geblieben.

GA: Konnte man mit Fettes-Brot-Songs jemals die Leute erschrecken?

Boris: (lacht) Mit „Schwule Mädchen“ ging das vielleicht. Aber der große Bürgerschreck waren wir nie, das stimmt.

GA: Wolltet ihr denn Bürgerschreck sein?

Boris: Wir hatten diesbezüglich nie ein Konzept im Kopf. Wir wollten einfach Musik machen. Wir haben auch nie darüber nachgedacht, was wir erreichen wollten. Der Erfolg ist uns dann mehr so passiert. Es gibt Kollegen, bei denen ist die Provokation ein Teil der Strategie, was auch legitim ist. Aber wir taugen nicht für solche Maschen. Dazu handeln wir zu sehr aus dem Bauch heraus.

GA: Besteht Fettes Brot aus drei echten Sympathieträgern?

Boris: Es gibt durchaus Leute, die uns bescheuert finden. Aber man muss auch mal sagen: Wir sind wirklich nette Typen. Ich kenne uns ja und sage mal so: Mit uns kann man gut auskommen. Wir sind aber nicht um jeden Preis nett. Wenn uns einer blöd kommt, kriegt er das auch zu spüren.

GA: Kommt eigentlich bald mal wieder neue Musik von euch?

Boris: Auf jeden Fall. Es entsteht gerade sehr viel neue Musik. Wann wir damit fertig sind, kann ich noch nicht sagen.

GA: Was ist ein perfekter Fettes-Brot-Song?

Boris: Perfekt ist er dann, wenn wir Spaß mit einer kleinen Botschaft verbinden. Ich finde Songs besonders gelungen, wenn man dazu Party machen und Bäume ausreißen möchte. Und über die man sich, wenn man sie ein paar Mal öfter gehört hat, seine Gedanken macht.

GA: Macht ihr euch als Mittdreißiger schon mal Gedanken über euren Rücktritt?

Boris: Warum sollten wir? Ich hätte mir vor zehn Jahren nicht vorstellen können, wie gut das jetzt läuft. Und genauso kann ich mir gerade nicht vorstellen, was wir in zehn Jahren machen werden. Wir wollen auch gar nicht zu weit in Zukunft planen. Oft genug öffnen sich plötzlich Türen und Wege, mit denen man vorher gar nicht gerechnet hat.

GA: Ein Tipp für die Fußball-WM?

Boris: Im Halbfinale sind Spanien, Brasilien, Italien und Deutschland. Und dann muss man mal gucken.

Fettes BrotAktuelle Besetzung: König Boris (Boris Lauterbach, geb. am 18. Juni 1974 in Hamburg); Dokter Renz (Martin Vandreier, geb. am 23. Juli 1974 in Hamburg); Björn Beton (Björn Warns, geb. am 20. Mai 1973 in Pinneberg)

1992: Bandgründung als Quintett. 1995 erscheint im Trio die erfolgreiche Single „Nordisch By Nature“, das Album „Auf einem Auge blöd“ steht 26 Wochen in den Charts

1996: Der Erfolg festigt sich mit der Nummer „Jein“ und dem Album „Außen Top Hits, innen Geschmack”
1998: Album „Fettes Brot lässt grüßen“ mit Tocotronic und Heinz Strunk
1999 Zusammenarbeit mit James Last

2001 erscheint das Album “Demotape” mit den Hits “Schwule Mädchen” und “The Grosser”

2004 gründen sie ihr eigenes Platten-label. 2005: Album „Am Wasser gebaut“ mit der erfolgreichsten Single der Bandgeschichte - „Emanuela“

Im Dezember 2005 schließen sie ihre Tour in Hamburg vor 14 500 Zuschauern ab, das Konzert wird live in TV und Radio übertragen

2007 geht das Trio unter dem Namen Bette Frost auf Tour, um das Album „Strom und Drang“ vorzustellen. Hit-Single: “Bettina, zieh dir bitte etwas an“

Februar 2010: Mit „Fettes“ und „Brot“ erschienen gleich zwei Livealben

Diverse Auszeichnungen: u. a. Echo 1996 und 2006, MTV Europe Music Award 2008, Comet 2005 (Beste Band und Bester Song für „Emanuela“)

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