Film über Maler Gerhard Richter: "Die Bilder machen, was sie wollen"
Corinna Belz hat einen eindrucksvollen Film über den Maler Gerhard Richter gedreht. Am Samstag gibt es den Streifen in der Filmbühne in Beuel zu sehen.
Beuel. Vernissagen und Pressekonferenzen sind sein Fegefeuer. "Voller Angst, Muskelschmerzen und Paracetamol" bewältigt Gerhard Richter das Händeschütteln in der New Yorker Marian Goodman Gallery, und auch nach der Eröffnung der großen Schau im Museum Ludwig (2008) will er nichts wie weg.
Umso erstaunlicher, dass der publikumsscheue Kölner Maler der Regisseurin Corinna Belz im Frühjahr und Sommer 2009 sein Atelier in Köln-Hahnwald öffnet und seinem Credo "Malen ist sowieso eine heimliche Angelegenheit" untreu wird. Das frappierende Ergebnis dieses Glücksfalls, ihr Film "Gerhard Richter Painting", ist ab 8. September im Kino, an diesem Wochenende aber schon bei Vorpremieren zu sehen.
Vom ersten Bild an hat man das Gefühl, einem ebenso intimen wie heiklen Vorgang wie einer Geburt zuzuschauen. Die Kamera ist ganz dicht dran, wenn Richter das pastose Gelb mit breitem Pinsel aufstreicht.
Nun ist das Spiel eröffnet, nun muss er reagieren. Bald pflügt er ein blaues Band durch die Leinwand, verdunkelt die ursprüngliche Heiterkeit hinter immer dichteren Farbgittern. Und wenn er dann die Rakel einkleistert und über das Gemälde zieht, erscheinen plötzlich filigrane Schlieren, Schnörkel, abstrakte Ornamente.
Richter steuert den Prozess, der jedoch ans Zureiten wilder Mustangs erinnert. "Das ist so, dass sie irgendwann das machen, was die wollen. Ich hatte sie ganz anders angelegt - irgendwie schön bunt." Die ach so hehre Kunst als Machtkampf.
"Einen Tag weggucken", verordnet sich der Maler, doch letztlich muss das Werk an der Atelierwand kritischster Langzeitbeobachtung standhalten. Und wenn Richter meint: "Lässt langsam nach", wird's gefährlich. Dann wird ein vielschichtig dunkles Schillern brutal unter dickem Weiß begraben. "Eingeschneit", meint Sabine Moritz-Richter, während ihrem Mann am "neuen" Produkt zumindest eins gefällt: "Es hat keine Mätzchen".
Corinna Belz drehte im Atelier mit einem Mini-Team, um dem Maler nicht die kreative Luft abzuschnüren. Dennoch gab es Krisen. "Es geht nicht", sagt Richter und meint nicht nur das misslingende Gemälde, sondern auch den Film, der ihm zu nahe kommt.
Soll man, fragt er, nicht "lieber zeigen, wie er über die Straße läuft, bisschen dies, bisschen das?" Das sieht man zwar auch. Etwa Richter auf der Fahrt durch "seine" Stadt. "Ist ja ein bisschen hässlich, Köln, arg hässlich - und das im Zentrum". Richter im Museum, wo er mit Kasper König über das richtige Licht debattiert, Richter unbehaglich im Blitzlichtgewitter, seine Assistenten beim Vorbereiten der Farben, er selbst vor maßstabsgetreuen Museumsmodellen, an denen er die Hängung künftiger Ausstellungen austüftelt.
Und dann darf Corinna Belz doch wieder ins Atelier, wo trotz eingestreuter Archiv-Schnipsel der magische Kern ihres ebenso unprätentiösen wie intensiven Films liegt. Dabei zeigt sich der Porträtierte als extremes Gegenteil eines Quatschkopfs. Was er sich bei seinen Arbeiten gedacht hat, kann er partout nicht sagen, "denn Malen ist eine Form des Denkens". Kunsttheoretische Oberseminare muss hier niemand befürchten, und Privates tarnt Gerhard Richter gern unter Schnoddrigkeit.
Dass der Dresdner 1961 als politischer Flüchtling seine Stadt verließ und seine Eltern nie wiedersah, schnürt ihm dennoch fast die Kehle zu. "Die waren doch damals noch beinahe jung, und man dachte, die bleiben so", sagt er und schiebt scheinbar flapsig nach: "wie Gletschertote..." Doch man sieht, wie mühsam er die Tränen unterdrückt, bis er diese Wunde mit einem "Naja" notdürftig verpflastert.
Dann sieht man ihn wieder bei der Arbeit, die auch brachial und rabiat sein kann. Richter kratzt die gerade übermalte Farbe mit einem Messer hervor oder presst die Rakel hart über die Leinwand. Dabei erscheint eine Spur von Gelb, die vorher nie da war. "Mann, macht das Spaß!" sagt der Maler.
Die neue Filmbühne in Beuel feiert 25 Jahre Sondervorstellungen. Am Samstag, 3. September, 16 Uhr, läuft aus diesem Anlass "Gerhard Richter Painting" in Anwesenheit von Regisseurin Corinna Belz.