Frank Heuel inszeniert Büchner-Abend in Bonn

"Friede den Hütten! Krieg den Palästen!"- Rebellisches Pathos prallt in Werkstatt Theater auf Lethargie der Gegenwart

Bonn. "Was die Leute nicht alles aus Langeweile treiben!", wundert sich Büchners Prinz Leonce. Call-in-Gewinnspiele zum Beispiel, antwortet der Regisseur Jens Kerbel in seiner szenischen Versuchsanordnung zu Georg Büchners berühmtem Pamphlet "Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" im "Hessischen Landboten" 1834.

Während Büchner die Summen von Gulden aufzählt, die das Großherzogtum Hessen seinen Einwohnern abpresst, flimmert auf beiden Seiten der Bühne eine Rateshow mit dem Versprechen vieler Euros "direkt auf Ihr Konto".

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopIn der von Fringe-Ensemble und Theater Bonn konzipierten Reihe "Deutsche Revolutionen" ließ Kerbel mit vier Schauspielern in der fast ausverkauften Werkstatt Büchners rebellisches Pathos zusammenprallen mit der Lethargie der Gegenwart. Ralf Drexler zelebriert im historischen Kostüm energisch St. Justs demagogische Rede aus "Dantons Tod" ("Soll überhaupt ein Ereignis, was die ganze Gestaltung der moralischen Natur, das heißt der Menschheit, umändert, nicht durch Blut gehen dürfen?").

Manuel Klein und Andreas Meidinger (ebenfalls nach der Mode der Büchner-Zeit gekleidet, Ausstattung: Anne Brüssel) lehnen sich gelangweilt zurück. "Wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen, uralten, zahllosen, unverwüstlichen Schafskopf", sagt Büchners desillusionierter Camille.

Anastasia Gubareva im weißen Kleid wie Büchners Lena betrachtet melancholisch die kleine Welt in einem Aquarium und singt sehr schön gegen den allgemeinen Weltekel an. "Quarterlife-Crisis" nennen die jungen Leute ihren Zustand. Für den Aufstand fehlt ihnen ein greifbarer Gegner.

Die kurzweilige, präzis gearbeitete Inszenierung schließt das Lebensgefühl von "Leonce und Lena" intelligent kurz mit dem pessimistischen Revolutionsdrama "Dantons Tod". Der demokratische Aufbruch von 1848 ist Geschichte, sein sprachgewaltiger Vorbereiter Georg Büchner starb 1837 mit 23 Jahren. Die Generation Google richtet sich friedlich in den Hütten der Informationsgesellschaft ein. "Das Maß ist voll" pinselt Gubareva dennoch am Ende trotzig auf den Bühnenboden.

In der nächsten Folge der Revolutionsserie am 16. Januar reist Sheriff Pat Garrett in einer szenischen Lesung (Regie: Frank Heuel) nach Stammheim.

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