Franz-Josef Selig im Beethoven-Haus

BONN · Anderswo mag der Winter mit der Zeitumstellung beginnen oder mit der längsten Dunkelheit - im Beethoven-Haus markieren die Worte "Gute Nacht" den Winteranfang. Franz-Josef Selig (Bass) und Pianist Gerold Huber interpretieren Franz Schuberts "Winterreise".

Fremd ist das lyrische Ich zu Beginn des Gedichtzyklus von Wilhelm Müller ins Haus der Angebeteten eingezogen, fremd zieht es wieder aus.

Aus der Liebe wird nichts, und der Unglückliche begibt sich auf eine Reise ohne Wiederkehr. Achtelnoten pochen im Rhythmus seiner Schritte, sein Weg ist "gehüllt in Schnee", die kalten Winde blasen ihm "grad' ins Angesicht", Halluzinationen wie Irrlicht, Frühlingstraum und Nebensonnen ergreifen mehr und mehr von ihm Besitz.

Mit unbedingtem Gestaltungswillen und viel sängerischer Risikofreude entführt Franz-Josef Selig die Zuhörer in dieses meisterhafte Psychogramm einer Todessehnsucht. Seine warm timbrierte Stimme verleiht der Trostlosigkeit viele Farben und Schattierungen, ohne liedinterpretatorische Manierismen wie übertriebene Wortbetonung oder Sprechgesang zur Hilfe nehmen zu müssen.

Nicht viele echte Bässe wagen sich an die "Winterreise", doch Selig singt auch die Spitzentöne in klangschönem Piano, und wenn es dann doch mal tief hinab geht, wie in den "tiefsten Felsengründen" des "Irrlichts", dann ist da plötzlich die ganze Wucht und samtige Schwärze eines Ausnahme-Basses.

Gerold Huber beweist am Flügel ebenso viel Gespür für die Seelenzustände des einsamen Wanderers. Sein subtil variierter Anschlag folgt jedem Stimmungswechsel; er begleitet den Sänger mit der virtuosen Empathie eines Mitwissers und Vertrauten. Und als der "Leiermann" in unerbittlicher Kargheit verklungen ist, versteht man Schuberts eigene Worte zu den Liedern der "Winterreise": "Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses bei anderen Liedern der Fall war."

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