"Freischütz" in der Kölner Philharmonie

Solisten erheben den "Freischütz" zum Fest der schönen Stimmen

Köln. Kann das gelingen: ein "Freischütz" konzertant, ohne deutschen Wald? Und wie das gelingt! Denn Webers romantische Oper spielt ja nicht eigentlich im Böhmen des Dreißigjährigen Krieges, sondern in den handelnden Figuren selbst. Der "Freischütz" ist ein eminent psychologisches Stück. Bruno Weil hat es mit der Capella Coloniensis jetzt in der Kölner Philharmonie unterstrichen, natürlich konzertant.

Bei aller Psychologie ist der Freischütz freilich kein Wagnersches Erlösungsdrama, eher ein Mysterienspiel, in dem sich Himmel und Hölle heftig befehden. Von einer Nationaloper war in der Philharmonie nichts zu hören. Denn der reduzierte, entschlackte Orchesterapparat verweigerte manches, was man gemeinhin erwartet: Streicherzauber und Hörnerschmelz. Sehr deutlich arbeitete Weil hingegen das Dämonische des Werks heraus, freilich mehr das Abgründige des Menschen als den Spuk des Waldes. Dazu passte die Entscheidung, die gesprochenen Dialoge durch Samiel-Monologe zu ersetzen, die Steffen Kopetzky karg und klug verfasst hat. Damit klinkt sich die Oper zwar aus der Singspiel-Tradition aus, gewinnt jedoch an dramatischer Stringenz. Noch dazu werfen die Monologe ein neues Licht auf Samiel (in sprachlicher Bestform: Markus John), den Kopetzky nicht als Weberschen Mephisto vorstellt, sondern als Über-Ich der anderen Figuren, als blinden Beobachter, als getriebenen Treiber.

Einer solchen psychologischen Ausleuchtung der Partitur fühlt sich auch Bruno Weil verpflichtet. Er kultivierte in der Philharmonie ein transparentes, sehr farbiges, gelegentlich herbes Klangbild. Er nahm die Forderungen der historischen Aufführungspraxis ernst, ohne aus ihnen eine Ideologie zu machen. Und er erwies sich abermals als ein Meister des Tempos.

Eigentlich brillierte an diesem Abend alles: Der Kölner Rundfunkchor (Einstudierung: Godfried Ritter), erst recht die Solisten, die den "Freischütz" zum Fest der schönen Stimmen erhoben. Das galt zumal für Christoph Prégardien, der genau das ist, was Max sein soll: ein lyrischer Tenor. Er sang die Partie mit perfektem Ausdruck und ausgeklügelter Naivität, mit reiner Höhe und feinem Schmelz. Petra-Maria Schnitzer war einmal mehr eine jungmädchenhafte Agathe, die nicht nur ihrer Pianissimo-Nuancen wegen gefeiert wurde. Johanne Stojkovic sang das Ähnnchen mit samtig-schönem Timbre, genauer Textarbeit und aller Koketterie. Georg Zeppenfeld, Bonner Ensemblemitglied, gab den Kaspar als böhmischen Dr. Faustus, nicht mit schwarzem Bass, aber doch mit flackerndem Ausdruck. Keine Frage: Eine CD-Produktion dieser Aufführung wäre ein voller Erfolg.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort