Fringe ensemble bewegt Zuschauer in Bonner Ballsaal

Ein eindrucksvoller Theaterabend - Das Frauentrio beschäftigt sich mit dem Bericht der südafrikanischen Wahrheitskommission

Fringe ensemble bewegt Zuschauer in Bonner Ballsaal
Foto: Svenja Pauka

Bonn. Spaghetti schmecken gut, eignen sich aber auch als Haarnadeln, wie Laila Nielsen und Justine Hauer beweisen. Bettina Marrug kann sehr animierend "Harmony" brüllen und die wiederholte Endsilbe wie das deutsche "Nie" klingen lassen.

Zettel mit Begriffen wie "Rache", "Frieden", "Eid" flattern zu Boden, die Frage "Sind wir bereit zu vergeben?" schwirrt durch den Raum, Stimmen übertönen sich - aber worum geht es hier eigentlich? Frank Heuel und das fringe ensemble beschäftigen sich in ihrer neuen Produktion "I said the things you told me not to say" mit dem Bericht der südafrikanischen Wahrheits- und Aussöhnungskommission, die nach dem Wahlsieg von Nelson Mandela und der ANC-Partei 1994 eingerichtet wurde.

Durch einen Dialog zwischen Opfern und Tätern der Apartheid sollte die Verständigung zwischen den Bevölkerungsgruppen hergestellt werden; die Mittel dazu bestanden in finanzieller Hilfe für die Leidtragenden und Amnestie für die Schuldigen.

Der manieristische Beginn des Abends im Ballsaal erweist sich bald als Filtermembran, mit der Frank Heuel Einfühlung und Identifikation eine Absage erteilt, aber auch als Bild für die Nervosität und die Erregung angesichts der Kommissionsaufgabe. Da sitzen die drei Frauen an weißen Tischen und kleben sich Papierfetzen mit Augen und Porträts ins Gesicht, während sie den Fall der Apartheids-Gegnerin Amy Biehl schildern, die von Schwarzen ermordet wurde.

Allmählich fährt Frank Heuel die distanzierenden Inszenierungsmittel herunter. Bühnenbildner Eduardo Seru bemalt die Tischoberflächen wie ein Gerichtszeichner mit Prozess-Szenen; der Musiker Gregor Schwellenbach entlockt Harmonium und Computer bedrängende Klänge, während Justine Hauer von einer sechsköpfigen Familie erzählt, deren männliche Mitglieder immer wieder verhaftet wurden. Hauer berichtet fast emotionslos und berührt nur umso tiefer.

Der Höhepunkt des Abends aber gehört der hochschwangeren Laila Nielsen, die von einer Mutter erzählt, die ihren Sohn verloren hat. Wie sie und ihr Mann herumtelefonieren und schließlich das Hemd ihres toten Sohnes erhalten: "Ich habe noch nie ein Hemd gesehen, das so viele Löcher hat". Schon dieser Moment, der wie eine psychoanalytische Katharsis wirkt, gehört zu den grausigsten der Aufführung.

Dann jedoch verwandelt sich Laila Nielsen in den Vater, der auf der Polizeiwache seinen Sohn identifiziert. Ihre Stimme wird plötzlich laut. Doch es ist kein Schreien, kein Brüllen, sondern etwas weit Schlimmeres. Es ist die monotone Lautstärke, die den rasenden Schmerz im Innern zu betäuben versucht. Mit diesem erschreckenden Bild endet die tief berührende Aufführung.

Weitere Termine: 7. und 8. Mai, Karten: (02 28) 79 79 01.

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