Sommerausstellung der Bundeskunsthalle Fürst Pückler: Im Garten der Lüste

BONN · Die großartige Sommerausstellung der Bundeskunsthalle zeigt den „Parkomanen“ Fürst Pückler als intellektuellen Aristokraten, Buchautor, Garten-Fan und Lebemann.

 Gedeckte Tafel in der Ausstellung.

Gedeckte Tafel in der Ausstellung.

Foto: Westhoff

Ich befand mich etwas unwohl, als ich im Gasthof zu Caernarvon anlangte, wo ein bildschönes Mädchen mit langen schwarzen Haaren, die Tochter des Wirths, der abwesend war, sehr anmuthig die honneurs machte.“ Als Hermann Fürst von Pückler-Muskau diese Zeilen an seine Lucie, geborene von Hardenberg, im Juli 1828 aus England schrieb, war er nicht nur gesundheitlich etwas angeschlagen. Er war verzweifelt und fast pleite, hatte sich mit seinem riesigen Gartenprojekt in Bad Muskau heillos übernommen und sich pro forma von seiner Lucie scheiden lassen, um auf dem britischen Heiratsmarkt eine neue Frau und vor allem deren Mitgift zu ergattern. Brief um Brief schrieb er seiner Lucie, die er mitunter als „Liebe und Gute!“ anspricht, spießte sarkastisch britische Marotten auf, kolportierte Pikantes, Witziges, Ironisches aus den höchsten Adelskreisen. Seine dreijährige Brautschau blieb ergebnislos. Aus einer Sanierung mittels Mitgift wurde nichts.

Doch als der Fürst seine Korrespondenz mit Lucie unter dem Titel „Briefe eines Verstorbenen“ anonym veröffentlichte, landete er einen echten Bestseller, den sogar Rezensent Goethe als „ein für Deutschlands Literatur bedeutendes Werk lobte“. Pückler war gerettet, der Park von Muskau konnte weiter wachsen. Bis zur endgültigen Pleite: 1845 muss der Fürst seine Standesherrschaft Muskau verkaufen, Prinz Friedrich der Niederlande wird neuer Besitzer.

Wer war dieser Fürst Pückler, den die meisten Menschen nur als Namensgeber einer Eiskreation kennen, die einst als königliche Schleckerei die Dessertafeln in besseren Kreisen krönte, heute zu einem dreiteiligen Eisakkord (Schokolade, Vanille, Himbeere) zwischen Waffeln verkommen ist? Eine exzellent gemachte Ausstellung in der Bundeskunsthalle schließt nun diese Wissenslücke. Fast: Denn um Näheres zum Pückler-Eis zu erfahren, muss man Katalog oder Audio-Guide zur Hilfe nehmen. Ansonsten werden nahezu alle Fragen über den Fürsten Pückler (1785-1871), der ein Literat und visionärer Garten-Fan war, ein Bonvivant, Gastrosoph und Weltreisender, schließlich auch Frauenheld, in dieser Schau beantwortet. „Parkomanie – Die Gartenlandschaften des Fürsten Pückler“, die großartige Sommerausstellung der Bundeskunsthalle, fährt zweigleisig. Oben auf dem Dach erlebt man Motive von Pücklers Gartenkunst, den Übergang vom üppig blühenden „Pleasureground“ zum freieren Landschaftspark, die Sichtachsen, die vom Dachgarten bis zum Venusberg reichen.

Gartenlandschaften des Fürsten Pückler
12 Bilder

Gartenlandschaften des Fürsten Pückler

12 Bilder

In der Ausstellung lernen wir dann den Fürsten und seine Projekte kennen. In Muskau in der Oberlausitz entstand unter dem Eindruck englischer Landschaftsgärten zwischen 1815 und 1845 ein weitläufiger Park, der heute Unesco-Welterbe ist. Zwar wurde das von Schinkel entworfene Schloss, die „Muskauer Akropolis“, nicht realisiert, dafür entstand ein topographisch reizvolles Ensemble aus mäandernden Wegen und Wasserläufen, aus kleinen Wäldern und markanten Baum-Solitären und üppig gestalteten „Pleasuregrounds“ als erweitertes Wohnzimmer rund um den Herrensitz. Pückler nannte dieses Verfahren in seiner theoretischen Schrift „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ „Zonierung“.

Drohnen-Filme, Zeitraffer-Videos in 3D, die den Tagesablauf und Wechsel der Jahreszeiten im Park nacherleben lassen, sowie dreidimensionale historische Lithographien und Fotos führen den Betrachter durch Pücklers Parkomanie. Besser kann man das Thema nicht angehen. Von Muskau geht es nach Babelsberg, wo uns der Stratege Pückler begegnet: Der Fürst und Netzwerker wollte näher an den preußischen Hof heran. Er brachte sich beim Prinzen Carl als Gartenexperte ins Gespräch, korrespondierte mit Prinzessin Augusta, überreichte ihrem Gatten Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser, ein „Unterthänigstes Promemoria“, eine Gartendenkschrift. Darin haute er den Generaldirektor der königlich-preußischen Gärten, Peter Joseph Lenné, in die Pfanne und empfahl sich selbst als Garten-Verschönerer. Mit Erfolg.

Alle seine Erfahrungen, auch die seiner ausgedehnten Orientreisen, brachte der Fürst im brandenburgischen Branitz ein, wo ab 1848 eine auch ikonografisch hochinteressante Parkanlage entstand, in deren geistigem Zentrum zwei bewachsene Pyramiden stehen, eine davon im Wasser: Die Grabstätten für den Fürsten und seine treue, auch in Gartendingen engagierte Lebensgefährtin Lucie. Deren Geduld der fürstliche Lebemann oft strapaziert hat. Etwa, als er die in Kairo gekaufte minderjährige Sklavin Machbuba 1840 als seine Mätresse mit nach Muskau brachte, wo sie bald an Tuberkulose starb. In der Bonner Ausstellung hängt das Porträt der schönen Abessinierin wenig feinfühlig und unkommentiert (nur Audio-Guide) inmitten weiterer Mitbringsel des Fürsten aus dem Orient.

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