GA öffnet Tür zum Kostümfundus der Bonner Oper

Beuel · Kleider und Schuhe soweit das Auge reicht: Hinter jedem Kostüm versteckt sich eine spannende Geschichte. Der GA verlost ein Kleid aus dem Fundus der Oper.

Schuhe! In allen Farben! Und Kleider! Mit Rosen, Rüschen, in knisternder Seide, voller schillernder Federn, mit üppigen Röcken - und, äh, Einschusslöchern. Ja, das kann passieren im Kostümfundus von Bonner Oper und Schauspiel. Da zieht man, völlig versunken im Märchenreich der Stoffe und Formen, ein schniekes schweres Brokathemd vom Kleiderständer und gewahrt plötzlich ein großes Loch mit innen blutrotem, nach außen schwarz werdendem Kreis drum herum. Klarer Fall von Drama: Der Träger dieses Hemdes - ein Opernsänger? Ein Theaterschauspieler? - wurde auf der Bühne erschossen. Oder vielmehr die von ihm dargestellte Figur.

Wer den Kostümfundus auf dem Beueler Theatergelände besucht, der ist maximal einer von zweien. Mehr geht nicht, das bestimmt ein Schild direkt am Lastenaufzug, und das erklärt Fundusverwalterin Silke Hüsken mit einem Satz und einer Geste: "Mehr als zwei Besucher kann ich hier nicht kontrollieren."

Dann zeigt sie nach vorn und hinten, links und rechts, wo Kleiderständerwagen über Kleiderständerwagen stehen, wo sich ein Raum und dahinter ein weiterer und daneben noch einer öffnen - mit immer noch mehr Kleiderständern und Regalen. Alles gibt es hier: Kostüme in jeder Farbe, jeder Größe, jedem Stil, für Kinder, Männer, Frauen, große und kleine, dicke und dünne Darsteller, Komplett-Kollektionen für den gesamten Bonner Chor, abenteuerliche Einzelstücke für Menschen, die auf der Bühne zu Fantasiewesen werden - Waldfeen zum Beispiel oder Teufel. Und für solche, die erschossen werden.

Oder denen auf der Bühne die Klamotten vom Leib gerissen werden - und zwar nicht einmal, sondern eine ganze Theatersaison lang immer wieder aufs Neue. Ein Spezialfaden macht's möglich: Er hält so zart die einzelnen Teile eines Kleidungsstücks zusammen, dass es mit einem Wusch "zerrissen" und hernach in der Theaterschneiderei fast ebenso schnell wieder zusammengefügt werden kann. Wenn Kostümdirektorin Adelheid Pohlmann durch ihr Reich der Stoff gewordenen Illusionen führt - wie viele Kleider sie im Lager hat, weiß sie "nicht mal ansatzweise" -, dann kann sie zu fast jedem Kleid die Geschichte erzählen.

Hinter jedem Kostüm eine Geschichte

Es ist die Geschichte von La Bohéme oder Coppelia, von Mephisto oder der Zauberflöte. Es sind aber auch Geschichten von Regisseuren und ihren manchmal verrückten Inszenierungsideen. Zur Hälfte werden die Ideen über eine der zahllosen Bezugsquellen von Adelheid Pohlmann verwirklicht - die zum Beispiel auch eine Werkstatt kennt, in der Kothurne hergestellt werden, die Ultra-Plateauschuhe, manchmal bis zu einem halben Meter hoch, die tatsächlich zu Rokokozeiten unter weit darüber fallenden Roben angezogen wurden, um den Träger größer zu machen, als er war.

Spezielle Inszenierungseinfälle werden von den Opernschneidern selbst verwirklicht. Und selbst gemacht, weil Maßanfertigungen, sind auch die sogenannten Wattons, die aus dünnen Menschen dicke Menschen machen und Männern eine Oberweite verpassen, so es die Rolle verlangt.

Weggeworfen wird hier im Kostümfundus übrigens nichts. "Es sei denn, es ist ganz billig oder total zerfetzt", sagt Pohlmann. Weshalb der Fundus in Beuel längst diverse Lagerkinder bekommen hat: Am Erzberger Ufer, unweit der Oper, zum Beispiel stehen weitere Kleiderständer. Ist für eine Produktion eine Kostümwelt erstellt, werden die Kleider von Assistentinnen betreut - "vom Entwurf bis zur Premiere", sagt Pohlmann. Ist eine Produktion abgespielt, werden ihre Kostüme vom Intendanten "freigegeben" zur Erfassung und Einordnung ins Lager - in die "Moderne" oder ins "Altertum", in welche Epoche auch immer.

Und dann warten die Kleider dort. Manchmal jahrzehntelang. Bis zum Beispiel wieder ein Brokathemd gebraucht wird - mit Einschussloch. [kein Linktext vorhanden]

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