Geiger Hellmut Stern spricht im Beethoven-Haus über seine Zeit mit Herbert von Karajan

Vom Mythos des Dirigenten: Zeitzeugengespräch im Rahmen des Beethovenfestes

  Hellmut Stern  im Beethoven-Haus zwischen Ilona Schmiel und Michael Ladenburger. Links und rechts flankieren Schüler des Aloisiuskollegs das Podium.

Hellmut Stern im Beethoven-Haus zwischen Ilona Schmiel und Michael Ladenburger. Links und rechts flankieren Schüler des Aloisiuskollegs das Podium.

Foto: Barbara Frommann

Bonn. In jedem Dirigenten steckt ein verkappter Diktator - das Gute ist nur, dass sie es bei der Musik belassen." So skizzierte einmal einmal Sergiu Celibidache seinen eigenen Beruf.

Der Geiger Hellmut Stern, der diesen berühmte geworden Aphorismus jetzt im Kammermusiksaal des Beethoven-Haus zitierte, weiß, wovon Celibidache sprach: Der heute 81-Jährige war viele Jahre unter Herbert von Karajan, dem vielleicht mächtigsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts, stellvertretender Konzertmeister der Berliner Philharmoniker.

Stern stand im Mittelpunkt eines vom Beethovenfest veranstalteten Zeitzeugengesprächs. Wie inszenieren sich Künstler oder wie werden sie inszeniert, lautete die Eingangsfrage des Abends. Stern, der beim letzten Beethovenfest schon über sein bewegtes Leben erzählt hatte, berichtete aus der Sicht eines Orchestermusikers über Dirigentenstars als vermeintliche "Lichtgestalten und solche, die es gerne sein wollen."

Denn eines wurde an diesem Abend schnell deutlich: Nicht jeder bekannte Dirigent ist auch ein guter Dirigent, oder umgekehrt - Presse, Publicity und Publikum zum Trotz. Diese drei Faktoren spielen bei der "Erschaffung" von Dirigentenstars zuweilen nämlich eine größere Rolle als die Musik. Hinzu kommen noch - siehe oben - ganz menschliche Machtgelüste, so Stern.

Begonnen hatte der Abend, durch den Beethovenfest-Intendantin Ilona Schmiel und der Kustos des Beethoven-Hauses, Michael Ladenburger, führten, mit einer Präsentation, die Schüler des Aloisiuskollegs erarbeitet hatten. Darin kontrastierten sie moderne "Lichtgestalten" wie Madonna oder Michael Jackson mit freilich etwas Nietzsche-lastigen Zitaten, die den Mythos solcher Stars in Frage stellten.

Doch allein durch die Tatsache, dass Herbert von Karajan als einziger Klassik-Star bei dieser Präsentation vertreten war, machte deutlich, dass hier Welten aufeinanderprallen. Die Diskussion brauchte demzufolge auch einige Zeit, bis sie sich zum eigentlichen Thema des Abends vorgearbeitet hatte.

Am Thema Karajan als dem Urvater der Medialisierung von Musik kam man bei solch einem Thema natürlich nicht vorbei. Stern betonte, dass er unter ihm immer sehr gerne gespielt habe. Was aber nun das "Wunder" Karajan ausmachen würde, konnte auch Stern nicht sagen.

Stern demontierte den Mythos des Dirigenten nach allen Regeln der Kunst und hielt dennoch ein flammendes Plädoyer für ihn. Die Lösung des Mysteriums Dirigent konnte man an diesem Abend allerdings auch nicht präsentieren, doch riss man eine Reihe von Aspekten an, die dazu anregten, über Rolle und Status der angeblichen Lichtgestalten zu reflektieren.

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