Gelungenes Orchesterfest in der Beethovenhalle

Einen Tag lang dreht sich alles nur um Musik - Fulminanter Schlussakkord für das Beethoven Orchester und die Bonner

Gelungenes Orchesterfest in der Beethovenhalle
Foto: Horst Müller

Es gab und es gibt Dirigenten, die - vom Scheitel bis zur Sohle Maestro - Wert zu legen scheinen auf ein gewisses Maß an Unnahbarkeit. Der Bonner Generalmusikdirektor Stefan Blunier gehört ganz sicher nicht dazu. Um dies auch denen zu demonstrieren, die seinen Start am Rhein bislang eher beiläufig wahrgenommen haben und Konzerte des Beethoven Orchesters Bonn eher gelegentlich bis gar nicht besuchen, bot das Orchesterfest am Sonntag in der Beethovenhalle eine ausgezeichnete Gelegenheit.

Für alle anderen wiederum dürfte die betont legere und erfrischend unbeschwerte Atmosphäre dort keine Überraschung mehr gewesen sein. Was zum einen am Gastgeber liegt, der bei einer kurzen Pause vor der Tür spontan mit ein paar Besuchern ins Gespräch kommt. Und zum anderen auch an den Musikern seines Orchesters. So sind die Damen und Herren in Schwarz - sozusagen Ton in Ton mit dem Chef - immer wieder präsent zwischen großem Saal und Studio, zwischen den Großen und den Kleinen.

Einige nutzen sogar selbst die Gelegenheit, um den eigenen Kindern zu zeigen, wo Mama und Papa Konzerte geben. Das macht aus dem Orchesterfest ein Familienfest, bei dem sich alles für einen Tag um die Musik dreht. Genau so beginnt es auch: mit einer beeindruckend reifen Leistung des Jugendsinfonieorchesters Bonn auf den Spuren von Bernsteins "West Side Story" und dirigiert von Blunier. Der Saal ist voll wie sonst nur am Abend, für einige möglicherweise schon ein Vorgeschmack auf eine spätere Karriere als Berufsmusiker.

Weitaus jünger ist anschließend das Publikum bei "Bobbys Klassik". Auf dem Programm steht Prokofjews sinfonisches Märchen "Peter und der Wolf" für Sprecher und ein Orchester. Bevor das jedoch mit seinem Dirigenten Thomas Honickel die Bühne betritt, verteilt ein freundlicher, aber offenbar leider etwas schusseliger Hausmeister die Noten. Leider völlig verkehrt, wie die Musiker bald feststellen müssen. Peters Großvater klingt wie der Wolf, die Ente wie der Kater, und alles läuft verquer.

Und während die Noten von dem kleinen Moritz aus dem Publikum wieder an den richtigen Platz gebracht werden, stellt Honickel den anderen Kindern die einzelnen Themen und die dazu gehörenden Instrumente vor. Erzählt wird die Geschichte von dem Kabarettisten Andreas Etienne, dem künstlerischen Leiter des Hauses der Springmaus in Endenich. Dass die Zuhörer, die ihm sonst an den Lippen hängen für gewöhnlich ein Stück älter sind, macht ihm nichts aus. Ganz im Gegenteil.

Denn seine eigentliche Bewährungsprobe steht noch bevor: fünf Minuten auf Bluniers Pult. "So viele gegen einen", stöhnt Etienne und schickt ein Stoßgebet an Beethoven hinterher, dessen fünfte Sinfonie er nunmehr dirigieren soll - genauer gesagt ein Stück aus dem ersten und eines aus dem vierten Satz. Natürlich ist das alles erst einmal ein großer Spaß. Für Etienne, der, gerade in Schwung gekommen, gerne noch weiter den Taktstock geschwungen hätte, für Blunier, das Orchester und für die Zuschauer.

Der ein oder andere mag Loriot vor Augen haben: in einer braunen Strickweste daheim vor dem Spiegel, auf dem Plattenspieler Franz Liszt. Für die Kandidaten, die nacheinander auf dem Pult ihr Glück versuchen, eine einmalige Herausforderung. Für Adolf Wittkowski, den den Wettbewerb schließlich gewinnt, ist es noch viel mehr: "Dirigent war immer mein Traumberuf", bekennt der 70-jährige ehemalige Berufsoffizier aus Meckenheim. Er spielt seit seinem zehnten Lebensjahr Violine, leitet heute stellvertretend das Kammerorchester Röttgen und lässt gemeinsam mit seiner Frau kaum ein Konzert des Beethoven Orchesters aus.

"Ich glaube, dass die Musiker es heute gut mit uns gemeint haben" meint Mitbewerber Magnus Bonn, Gitarrist aus Bonn. Genauigkeit ist aus seiner Sicht eine unverzichtbare Eigenschaft eines guten Dirigenten: "Man muss eine klare Vorstellung im Kopf haben, bevor man sie umsetzen kann." Das gilt auch für die Mitglieder des Orchesters, die im Kammermusiksaal, im Studio oder auch im kleinen Foyer der Beethovenhalle ihre Instrumente vorstellen. Schlagzeug und Klangeffekte, Holzbläser und Streichinstrumente.

Wie die funktionieren, können Kinder und ihre Eltern bei den Instrumentenbauern Christoph Aißlinger und Michael Bergen, beide Bratschisten im Beethoven Orchester, lernen. Die ausgedienten Saiten von Violine, Viola und Violoncello, die auf das Holz gespannt werden, stammen übrigens von Musikerkollegen. Währenddessen studiert auf perfekt gestimmten Instrumenten das Zuschauerorchester zusammen mit Blunier und seinen Profis Auszüge aus Tschaikowskys "Nussknacker Suite" ein.

Die öffentliche Probe gestattet Einblicke in Orchesterroutine, die dem Konzertpublikum gemeinhin verborgen bleibt, und stellt die Arbeit des Dirigenten anschaulicher dar als jegliche Theorie. Blunier, auch zum Ende des Tages entspannt und gut gelaunt, gibt den Laien Tipps und spornt sie auf der Zielgeraden nochmals an. Das Ergebnis lässt sich hören. Als Zugabe gibt es den Gefangenenchor aus Nabucco zum Mitsingen. Ein fulminanter Schlussakkord und das Ende eines gelungenen Festes, für das Beethoven Orchester und die Bonner.

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