Premiere am Freitag Gerhart Hauptmanns Drama "Die Ratten" in den Kammerspielen

Bad Godesberg · Mit einfachen Definitionen kommt man bei Gerhart Hauptmanns Stück "Die Ratten" nicht weit. Dabei wäre es so leicht, von einer grotesk-tragischen Milieustudie zu sprechen, von einer Dramatisierung des legendären Salomon-Urteils, von der Darstellung einer maroden, elenden Welt, in der jeder nur für sich selbst kämpft.

 Hauptmanns "Ratten" in Bonn: Probenszene mit Susanne Bredehöft und Falilou Seck.

Hauptmanns "Ratten" in Bonn: Probenszene mit Susanne Bredehöft und Falilou Seck.

Foto: Thilo Beu

Ein pessimistisches Bild. Irgendwie auch ein zutreffendes. Und doch zugleich nur die halbe Wahrheit. "Hauptmann hat daran geglaubt, dass viele verschiedene Kräfte auf den Menschen einwirken und ihn bestimmen", erklärt Dramaturg Christopher Hanf, der an der Inszenierung von Lukas Langhoff am Theater Bonn mitwirkt. "Seine Figuren sind nicht gut oder böse, sondern irgendwo dazwischen." Echte, vielschichtige Charaktere eben.

Und so fordert die Geschichte um die doppelte Kindesunterschiebung dazu auf, die Motive und Charakterzüge der Beteiligten ständig zu hinterfragen: Ist Frau John etwa ein schlechter Mensch, weil sie dem armen, vom Freund verlassenen schwangeren Dienstmädchen Pauline das Kind abkauft, um es als ihr eigenes auszugeben? Was bringt letztere dazu, ihr Kind schließlich wieder zurückzufordern und das wahre Drama auszulösen: Ist es Liebe, Angst, Geldgier? Oder vielleicht alles zusammen?

"Eigentlich sucht Frau John nur mit den ihr verbliebenen Möglichkeiten nach dem Glück", sagt Susanne Bredehöft. "Und ohne Kind fällt selbst ihre rattenhafte Welt in sich zusammen." Die erfahrene Schauspielerin, die bereits mit Christoph Schlingensief und Tom Tykwer zusammengearbeitet hat, verteidigt ihre Rolle vehement gegen Klischees und Schubladendenken, bringt immer wieder neue Sichtweisen auf die weibliche Hauptfigur ins Spiel, auch wenn die Beschäftigung mit dem Hauptmann-Drama nicht gerade einfach ist.

Bei aller Vielschichtigkeit zeichnet "Die Ratten" vor allem ein Panorama des Verfalls. "Die gesamte Szenerie ist angenagt, die Figuren angefressen", erklärt Bredehöft. Doch aufgeben ist keine Option. "Frau John hat sogar sehr viel Kraft, ist nicht schlaff und resignativ, sondern will sich und ihre Ehe in diesem menschlichen Durcheinander retten." Egal wie. Selbst mit einer Lüge, die immer größer wird und schließlich in einer Katastrophe mündet.

Doch nicht nur Frau John gibt sich einer Illusion hin. Ganz oben in der Mietskaserne, die alleiniger Schauplatz der Handlung ist, hat der arbeitslose Theaterdirektor Harro Hassenreuter seinen Fundus untergebracht und predigt, die Wirklichkeit ignorierend, den Idealismus der Klassik und die Schönheit der Kunst - ein Ansatz, der mit den existenziellen Ängsten der unten wohnenden Bürger keinerlei Deckung mehr aufweist, keine Identifikation ermöglicht und damit diese Art von Theater ad absurdum führt.

In diesen Szenen liegt aber zugleich ein Großteil der komischen Elemente, die einen Gegenpart zu dem Geschehen in den unteren Etagen darstellen sollen. Eine verzweifelte, klägliche Komik, sagt Dramaturg Hanf, die Regisseur Lukas Langhoff, der zuletzt mit seiner erfolgreichen Bonner Inszenierung von Ibsens "Volksfeind" zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, auch anderen Figuren gewährt. Selbst Frau John. "Ich habe zwar nur ein paar Pointen - aber auf die freue ich mich schon", gesteht Susanne Bredehöft, die so zumindest etwas zwischen Tragik und Komik oszillieren kann. Und sich schon allein dadurch einfachen Definitionen verweigert.

Premiere in den Kammerspielen Bad Godesberg am Freitag, 22. Februar. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen.

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