Gesänge von der Schönheit der Berge

Die Tokyo Oratorio Society auf dem Bonner Marktplatz

Bonn. Ein beispielloser Vorgang: Im 19. Jahrhundert gab Japan seine kulturelle Identität so konsequent auf, dass sämtliche Spuren der langen feudalen und populären Tradition verwischt wurden und nur noch die westliche Welt wirksam blieb.

Die Tokyo Oratorio Society, in der Hauptsache der europäischen Oratorienliteratur verpflichtet, vermittelte davon ein beredtes Bild, als sie beim Bonner Sommer auf dem Marktplatz ein Programm mit "Japanischen Liedern" vorlegte. Unter der Leitung von Hiroshi Gunji sangen die Sänger mit glockenreiner Intonation von der Heimat, von der Schönheit der Berge, einer Libelle in der Abendsonne.

Dies alles erinnerte an romantische Volksliedbearbeitungen von Friedrich Silcher. Zu Beginn war die Bearbeitung eines Abzählreimes mit dem Gepiepe der Mäuse als lautmalerischem Element zu hören, schließlich zwei Kompositionen von Toru Takemitsu, die eine der pazifistischen Bewegung des Jahres 1965, die andere der Sehnsucht nach der Kindheit verpflichtet.

Die Sopranistin Mayumi Kamei sang mit einem sehr schönen lyrischen Timbre und gestaltete feine Nuancen verschiedener, meist sehr trauriger Stimmungen - Erinnerungen an verlorene Liebe und verlorene Zeit. Zum Ende der Vortragsfolge verließ sie den japanischen Boden und brillierte mit Laurettas berühmtem Gesang aus "Gianni Schicci".

Begleitet wurde sie von Makiko Kobayashi, der ständigen Partnerin der Tokyo Oratorio Society, die zuvor auch als Solistin in Erscheinung getreten war. Sie präsentierte Themen mit Humor: Ein fauler Bauer wartet darauf, dass ein Hase verunglückt und lässt darüber sein Land verkommen, ein Kanarienvogel verliert seine Stimme, und die japanischen Waschbären trommeln auf ihre Bäuche.

Ein wenig Ragtime, ein wenig Children`s Corner kam dazu, wie Musik aus der Bar nebenan. Der begeisterte Beifall des Freiluft-Publikums galt zu Recht auch der intelligenten und charmanten Moderatorin.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Der finnische Dirigent Santtu-Matias Rouvali und
Ein Virtuose mit viel Gefühl
Konzert mit Bruce Liu in der Philharmonie KölnEin Virtuose mit viel Gefühl
Aus dem Ressort