Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn Friedens-Nobelpreisträgerin: „Lügen verbreiten sich schneller als Fakten“

Bonn · Deutschlands Forum für Medienschaffende aus aller Welt ging am Montag in seine 15. Runde. Im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages traten Spitzenpolitiker und internationale Journalisten auf. Die Friedens-Nobelpreisträgerin Maria Ressa sprach über Falschmeldungen und Hass, den sie täglich erlebt.

 Friedens-Nobelpreisträgerin Maria Ressa sprach am Montagmorgen vor hunderten von Medienschaffenden und Besuchern des 15. Global Media Forum im World Conferrence Center in Bonn.

Friedens-Nobelpreisträgerin Maria Ressa sprach am Montagmorgen vor hunderten von Medienschaffenden und Besuchern des 15. Global Media Forum im World Conferrence Center in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Kaum mehr freie Plätze: Der ehemalige Plenarsaal des Deutschen Bundestags im World Conference Center Bonn füllte sich am Montagmorgen fast vollständig. Anlass war der Start des „Global Media Forum“ (GMF), das von der Deutschen Welle ausgetragen wird. Medienschaffende und Politiker aus aller Welt kommen hier jährlich zusammen, um über Zukunft und Ist-Zustand des Journalismus zu diskutieren. Eröffnet wurde die zweitägige Veranstaltung von Friedens-Nobelpreisträgerin und Journalistin Maria Ressa.

Journalistin erhält 90 Hassnachrichten pro Stunde

Die philippinische Autorin gründete 2012 das Nachrichtenformat „Rappler“ mit und kämpft seitdem um eine unabhängige Berichterstattung in ihrem Heimatland. „Was sind wir bereit, für die Wahrheit zu opfern?“, lautete die Frage des Themenblocks, innerhalb dessen Ressa sprach. Diese Frage ist wohl aber auch zentral für das Wirken der Journalistin. Bereits mehrfach wurde sie verhaftet seit sie kritisch berichtet. Die sozialen Medien spielen Ressa zufolge eine tragende Rolle bei der der Verbreitung von Lügen.

„Lügen verbreiten sich schneller als Fakten“, gerade in sozialen Medien, sagte Ressa am Montagmorgen vor Hunderten von Pressevertretern und Besuchern aus aller Welt. Facebook sei das wichtigste Nachrichtenportal der Welt. Es bestimme maßgeblich, welches Medienhaus Präsenz erhalte, und welches nicht. Der Hass in den sozialen Medien diffundiere außerdem in die Realität. Das habe sich beim Sturm auf das Kapitol gezeigt. Ressa selbst erhalte bis zu 90 Hass-Nachrichten pro Stunde.

Ukrainische Journalistin: Journalisten müssen nicht immer ausgewogen, sondern vor allem angemessen berichten

Im Anschluss kam Staatsministerin und Medien-Beauftragte Claudia Roth zu Wort. „Wir müssen lernen, dass Demokratien angreifbar sind“, sagte die Grünen-Politikerin mit Blick auf die Ukraine und den Kapitolsturm. Der Ukraine-Krieg, der zu den Schwerpunkten des 15. GMF gehörte, sei auch ein Kultur-Krieg: Autoritarismus gegen Demokratie. Es sei wichtig, das Vertrauen in unabhängige Medien zu stärken. Deshalb helfe Deutschland russischen Exil-Journalisten dabei, im Ausland unabhängig weiter zu berichten.

In diesem Zusammenhang diskutierten auch die Journalisten Mikhail Zygar (Russland) und Angelina Kariakina (Ukraine). Vor zehn Jahren habe Zygar, der seit Kriegsausbruch in Berlin lebt, daran geglaubt, dass seine Arbeit beim russischen Fernsehsender Doschd Früchte trägt. Heute frage er sich, ob seine journalistische Arbeit überhaupt eine Wirkung in Russland gehabt habe. Die meisten seiner Kollegen arbeiteten derzeit im Exil, etwa in Riga oder Berlin. „Wir sind der Aggressor, daran besteht kein Zweifel“, sagte Zygar über die Rolle Russlands im Ukrainekrieg.

Kariakina stimmte dem zu: Manchmal sei es nicht die Aufgabe von Journalisten, ausgewogen zu berichten. Nämlich in Fällen, in denen es schlicht keine zwei Seiten zu zeigen gäbe – wie etwa im Angriffskrieg Russlands. „Es ist schwer, über Bussiness-Modelle und die Zukunft des Journalismus zu sprechen, während die Hauptaufgabe für uns in der Ukraine gerade ist, zu überleben“, sagte die Chefredakteurin, während sie sich Tränen aus den Augenwinkel wischte. Berichterstattung müsse nicht balanciert, sondern der jeweiligen Lage angemessen sein. Wichtig war ihr außerdem zu betonen, dass der Ukraine-Krieg nicht im Februar diesen Jahres, sondern bereits vor acht Jahren mit der Annexion der Krim begonnen habe. Dies werde in den westlichen Medien unzureichend kontextualisiert.

Hendrik Wüst: Eröffnung durch Ressa ist „eine Ehre“

Die brasilianische Investigativjournalistin Patricia Toledo stimmte einen ähnlichen Tenor an. „Bei der Aussage, die Erde sei eine Scheibe, gibt es nun mal keine zwei Seiten. Wenn das einigen unserer Leser dann nicht passt, müssen wir akzeptieren, dass sie sich verabschieden“, sagte Toledo. DW-Intendant Peter Limbourg sah dies etwas anders. Journalismus sei ein Feld, in dem komplizierte Sachverhalte dargestellt werden. Man dürfe nicht zu sehr in seiner Blase verweilen, sonst verliere man die Teile der Bevölkerung, die anderer Meinung seien.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst meldeten sich mit kurzen Videobotschaften zu Wort. Baerbock sagte, freie Gesellschaften brauchten eine freie Presse, weshalb das GMF so wichtig sei. Wüst äußerte sich ähnlich. Der Ukraine-Krieg zeige, wie wichtig unabhängiger Journalismus sei. Die Eröffnung der Veranstaltung durch eine Friedens-Nobelpreisträgerin, die für Pressefreiheit kämpft, sei deshalb eine Ehre.

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