Premiere in der Werkstatt des Schauspielhauses Bonn Globale Probleme, so komisch wie ernsthaft gelöst

Bonn · „Löwenherzen“ heißt das preisgekrönte Stück von Nino Haratischwili, das in der Werkstatt des Schauspiels Bonn zu sehen ist. Vier Darsteller in 17 Rollen verhandeln auf wunderbare Weise die großen Probleme der Kleinen. Das ist hinreißend und wundervoll optimistisch gespielt.

Ein starkes Quartett auf der Bühne sind (von links) Isa Weiß, Mira Wickert, Raafat Daboul (maskiert) und Aljoscha Zinflou, die in insgesamt 17 Rollen schlüpfen.

Ein starkes Quartett auf der Bühne sind (von links) Isa Weiß, Mira Wickert, Raafat Daboul (maskiert) und Aljoscha Zinflou, die in insgesamt 17 Rollen schlüpfen.

Foto: Thilo Beu

Den Löwen dürfen die vier Akteure alle mal spielen und sich den großen Maskenkopf mit der eindrucksvollen Mähne aufsetzen. Das leicht schiefe Auge hat ihm der achtjährige Amand angenäht, der in einer Spielzeugfabrik in Bangladesch arbeiten muss. Eigentlich möchte er gern zur Schule gehen und später ein großer Zauberer werden. Doch dafür reicht das Geld nicht. Seine Mutter will in Indien ihren Bauch vermieten, wird also Leihmutter für ein Paar, das selbst keine Kinder bekommen kann. „Spricht Gott bengalisch?“, fragt Ahmad, denn er hat einen Brief geschrieben: an Gott, der nach seiner Überzeugung in Europa wohnen muss. Der sprechende Löwe wird die Botschaft beherzt mitnehmen auf seine große Reise.

So beginnt das Kinderstück „Löwenherzen“ von Nino Haratischwili. Die aus Georgien stammende, vielfach ausgezeichnete Autorin schrieb es im Auftrag des Consol Theaters Gelsenkirchen. 2021 erhielt das Drama den Mülheimer „KinderStückePreis“ und wurde auch von der Jugend-Jury auf den ersten Platz gesetzt. Zu Recht: Es ist ein ungemein berührendes, witziges und poetisches kleines Meisterwerk. In der Werkstatt des Schauspiels Bonn hat es in der Reihe „Portal“ die an vielen Bühnen erfahrene Regisseurin und Kinderbuchautorin Hanna Müller inszeniert mit einem Ensemble von eigens dafür gecasteten Gastschauspielern, die insgesamt 17 Rollen verkörpern. Auf der Drehbühne von Ausstatterin Nina Gundlach sind die schnell wechselnden Schauplätze ideenreich markiert.

Ein Spielzeugtier auf großer Reise

Anfangs ist der aus Syrien stammende Raafat Daboul der kleine Junge Amand, der voller Hoffnung sein Glück dem Löwen anvertraut. Das Spielzeugtier landet bei Emma (Mira Wickert, 1995 in Bonn geboren) in Deutschland. Höchst amüsant spielen Isa Weiß und Aljoscha Zinflou die zerstrittenen, bürgerlich besorgten Eltern im liberalen Wohlstandsmilieu. Die aufgeweckte Emma fragt sich dagegen, was sie wirklich braucht, und beschließt, etliches für eine Hilfsorganisation zu spenden. So gelangt der Löwe im Senegal zu Zula.

Die Kinder im Dorf halten das Mädchen für eine Hexe und wollen nicht mit ihm spielen. Aber Kiano leiht ihr sein Fahrrad, womit sie nun von allen akzeptiert wird. Im Gegenzug erhält er den Löwen und zieht mit seinem Vater, einem „Geschäftsmann, der Hoffnungen verkauft“, weiter nach Mali. Dort helfen sie dem Jungen Amari zur Flucht nach Europa. Dessen Familie ertrinkt bei der Fahrt übers Meer, aber Amari landet mit dem Löwen, den Kiano ihm als Glücksbringer geschenkt hat, in Spanien. Das Stofftier fällt beim Spielen am Strand ins Wasser und gelangt nach Frankreich zu Louise. Deren Mutter vermarktet das Mädchen als pianistisches Wunderkind und Instagram-Star. Louise schenkt das inzwischen ziemlich zerzauste Stofftier dem Fotografen Alex. Nach weiteren Umwegen gelangt der Löwe nach Indien, wo der Vater der Zwillinge im Bauch von Amands Mutter ihn ihr als Glücksbringer schenkt.

Märchenhaft und lebensbejahend

Hinreißend komisch und zugleich ernsthaft ist der Dialog der noch ungeborenen Kinder – Weiß und Zinflou ziehen sich dafür einen gemeinsamen Mantel an. Amands Mutter kehrt mit dem Löwen zurück, kann nun ein schönes Haus erwerben, und Amand muss nicht mehr arbeiten. Das schiefäugige Tier hat sogar eine Antwort auf Amands Brief mitgebracht: Sie lautet ganz einfach „Ja!“.

Lebensbejahend ist das ganze märchenhafte Stück, das verschiedenste Lebensumstände von Kindern auf mehreren Kontinenten zeigt. Trotz der großen globalen Themen wie Kinderarbeit, Migration, Armut und Wohlstandsproblemen ganz ohne Anklagen, sondern optimistisch. Jede Figur hat ein tapferes Löwenherz und eine Chance auf Veränderungen. Alle Kinder nehmen mutig ihre Konflikte selbst in die Hand.

Die einfallsreiche Inszenierung, sensibel unterstützt durch die Musik von Felix Weigt, ist ebenso ein echter Glücksfall wie der sympathische Spielzeuglöwe. Und Amand wird ein berühmter Zauberer werden. Großes Löwen-Ehrenwort! Nach rund 90 Minuten ohne Pause beglückter Premierenbeifall für das ganze Team.

Die Aufführung wird empfohlen für Publikum ab zehn Jahren. Nächste Abendvorstellungen am 11./12./19. Januar jeweils um 18 Uhr. Tickets bei allen bekannten Vorverkaufsstellen. Weitere Infos unter www.theater-bonn.de

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