Glucks "Orfeo ed Euridice" an der Kölner Oper

Johannes Erath gelingt eine glücklich machende Inszenierung

Glucks "Orfeo ed Euridice" an der Kölner Oper
Foto: Wolfgang Weimer/Verein Kölner Kulturbildarchiv

Köln. Bevor die Musik anhebt, werden die Türen des Zuschauerraumes und die des Eisernen Vorhangs krachend zugeschlagen. Konrad Junghänel und das hervorragend disponierte Gürzenich-Orchester intonieren mit "Tempesta"-Erregung die C-Dur-Ouvertüre von Christoph Willibald Glucks "Azione teatrale per musica".

Sie wird gerne als Überbleibsel barocker Ästhetik gewertet, die der Komponist mit seinen Reformopern mehr und mehr zu überwinden trachtete. Das Finale "Trionfi Amore", präludiert von einem vierteiligen "Ballo", hat - wie auch Orfeos "Che farò senza Euridice" - Einwände gleichfalls erfahren.

Wie immer man die Diskrepanz zwischen dem Ausdruck dieser Arie und etwa der des Klagechores zu Beginn auflösen mag: Junghänel lässt alleine mit den beiden Auftaktnoten Trauer stimmig anklingen. Und wenn die Arie dann auch noch so erfüllt und berauschend gesungen wird wie von Maria Gortsevskaya bei ihrem Rollendebüt . . .

Stimmig ist die gesamte "Orfeo"-Produktion an der Oper Köln, stringenter und geschlossener in der Aussage als der Saisonstart mit den freilich sehr gefälligen "Meistersingern". Junghänel realisiert mit den Gürzenich-Musikern frappierende Klangwirkungen, welche eine Alte-Musik-Spezialisierung überhaupt nicht vermissen lassen. Raffiniert: Orfeos Harfe erklingt in der Furien-Szene, akustisch verstärkt, aus dem Off.

Konsequent wird die Wiener Fassung von 1762 gespielt. Das "entlastet" von dem umfänglichen Ballett der Pariser Version (1774). Den bereits erwähnten "Ballo", eigentlich leicht zu streichen, behält man indes bei.

Er inspiriert den jungen Regisseur Johannes Erath sogar zu einem inszenatorischen Kniff. Auf die schwarz-nackte Bühne (zuvor von Olaf Altmann kaum reicher ausgestattet) senkt sich ein Kostümfundus, bei dem sich der Chor für seinen Triumphgesang bedient.

Euridice allerdings ist und bleibt tot. Ähnlich zeigte das Jean-Pierre Ponnelle im letzten Kölner "Orfeo" 1977. Doch erst Erath erreicht nun jene dezidiert tragische Wirkung, die Wieland Wagner 1953 in Stuttgart intendierte, wo er auf den Klagechor zurückgriff.

Eraths Deutung ist von tiefem Ernst durchdrungen, wofür die schmucklose, dunkle Bühne sogleich Chiffre ist. Lichtgestalterisch ereignishaft, wie durch Freigabe einer hell erleuchteten Rückwand der "puro ciel" imaginiert wird.

Den Chor versteht der Regisseur (wie wohl auch Gluck) als noch von der griechischen Tragödie herrührend, doch vermenschlicht Erath das Kollektiv. Man nimmt Anteil, ist betroffen mit dem Titelhelden, gibt zuletzt aber auch eine höfische Gesellschaft, vielleicht jene der Wiener Uraufführung. An der Trauerschwere der Inszenierung ändert dieser beschwingte Schluss allerdings nichts.

Erath hat im Vorfeld seiner Kölner Arbeit angekündigt: "Man muss Assoziationsräume schaffen statt Naturalismus." Wo anfangen, wo enden mit der Beschreibung von Details in seiner glückhaften, glücklich machenden Arbeit? Dass er bei Willy Decker assistierte, meint man allenthalben zu spüren. Selten jedenfalls zeigt sich maßvolle Gestik (im Detail wiederum eruptiv), ja auch Bewegungsstillstand so aussagekräftig.

Freilich: Welch ein Orfeo ist Maria Gortsevskaya mit ihrem reich schattierten, klangvollen Mezzo (von der intensiven Mimik nicht zu reden). Bezwingend auch Jutta Böhnert (Euridice), lieblich Anna Palimina als Amore, der zeitweilig die Identität Euridices übernimmt. Eine große Stunde hat auch der von Andrew Ollivant einstudierte Chor.

Die nächsten Aufführungen: 29. Oktober, 1., 4., 7., 14. und 19. November; Karten: unter anderem in den Zweigstellen des General-Anzeigers.

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