Götter im Angebot

Maskentanz und böser Zauber: Vor der Dogon-Schau der Bundeskunsthalle kommt das Thema Kunstraub zur Sprache.

 Mystische Einheit: Tänzer mit ihren Masken in Tireli unweit von Bandiagara in Mali.

Mystische Einheit: Tänzer mit ihren Masken in Tireli unweit von Bandiagara in Mali.

Foto: Thomas Kliemann

Bonn. Von weitem schon hört man das Staccato der Trommeln, die Tänzer der Dogon mit ihren Masken sitzen im Halbkreis. Der Ort: Tireli, unweit von Bandiagara im westafrikanischen Mali.

Die Tänzer warten auf ihren Einsatz, auf Stelzen, mit drei Meter langen Etagenmasken auf dem Kopf oder der düsteren Widdermaske vor dem Gesicht. Das Trommeln schwillt an, jeder Tänzer führt nun seine Maske vor, jeder Maskentanz ist anders. Düstere, wilde Gebärden, ruckartige Zuckungen - wie in Trance bewegen sich die Tänzer. "Was Sie hier sehen, ist das Touristenprogramm", sagt Angelika Frei-Oldenburg von der Mission Culturelle de Bandiagara, die Mali bei der Pflege des Unesco-Weltkulturerbes unterstützt. "Viel intensiver" sei es, wenn die Masken bei kultischen Anlässen zum Einsatz kommen. Freilich ist auch die Folklore-Version äußerst intensiv.

Dass auch hier Tänzer und Maske zu einem untrennbaren Wesen verschmelzen, spürt jeder. In einem Initiationsritus werden Maske und Tänzer spirituell miteinander verbunden. Das ganze Weltbild der Dogon lässt sich in diesen geschnitzten und dekorierten Masken und Figuren ablesen. Werden Mann und Maske, Fetisch und sein Umfeld getrennt, werden sie für das Volk der Dogon wertlos.

Nicht jedoch für jene, die seit über 100 Jahren Kunst der Dogon außer Landes bringen und in den Kunstmarkt schleusen. Große Sammlungen sind so in Europa entstanden, insbesondere vom französischen Besitz an Dogon-Kunst profitiert jetzt die Ausstellung "Dogon - Weltkulturerbe aus Afrika", die von Paris nach Bonn kommt, wo sie ab Freitag zu sehen ist und dann weiter nach Mailand gereicht wird. "Les dieux sont à vendre", frei übersetzt: Götter im Angebot, hat der belgische Regisseur Michel Brent eine Dokumentation überschieben, in der er in fantastischen Bildern der Spur eines Dogon-Skulpturenpaares folgt, das in einem Dogon-Dorf gestohlen wurde und im französischen Kunsthandel wieder auftauchte. Der Film wird in der Bonner Ausstellung zu sehen sein.

Die besten Stücke der Dogon-Kunst befinden sich schon lange außer Landes. Zwar hat das Nationalmuseum in der Hauptstadt Bamako Exzellentes zu bieten, aber es ist nicht mit dem zu vergleichen, was das Pariser Musée die Quay Branly im Bestand hat und jetzt in die Bundeskunsthalle schickt. Ali Dolo, ein kräftiger Dogon, Bürgermeister des Ortes Sanga, hat die Dogon-Ausstellung bei der Premiere in Paris gesehen. Er war enttäuscht von der Schau. Nicht von den Exponaten - die er gerne bei sich in Mali hätte -, sondern von den Franzosen, so Dolo, die die Herkunft vieler Skulpturen und deren kriminelle Wege von Mali nach Frankreich verschweigen.

"Denen fehlt die Sensibilität für das Land der Dogon", klagt er, "der Quay Branly hatte 1 500 Besucher pro Tag, die acht Euro Eintritt gezahlt haben, an uns ist kein Geld geflossen". Dolo fordert bei der Ausstellungsstation in Bonn ein Prozent der Eintrittsgelder für Mali, eine Art Dogon-Soli: "Es wäre eine gute Geste von Deutschland".

Auch Lassana Cissé, Direktor der Mission Culturelle de Bandiagara, klagt, alle Kunstobjekte von Wert seien verkauft oder geraubt worden und außer Landes. Armut und eine Entfremdung von der Tradition der Ahnen führe dazu, dass laufend Kunstwerke aus Mali verschwinden. Die besten Stücke gingen schon während der französischen Kolonialherrschaft verloren. Die Bundeskunsthalle wird auch diese Historie und den Kunstraub allgemein in der Dogon-Schau zum Thema machen. Über einen Dogon-Soli wird noch diskutiert. Es laufen Gespräche, wie der Kultur in Mali vor Ort zu helfen ist.

Brents Film hat kein Happy End. Zwar wurde erreicht, dass die Skulpturen wieder nach Mali kamen. Doch die Bewohner von Nèni wollten ihre Kultfiguren nicht mehr. Die Skulpturen kamen ins Nationalmuseum von Bamako.

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