Beethovenfest in Bonn Götterfunken - Andris Nelsons und sein Orchester aus Birmingham

BONN · Wenn eine Sinfonie Ludwig van Beethovens so etwas wie Optimismus ausstrahlt, ist das in der achten der Fall.

 Ende eines Beethoven-Marathons: Dirigent Andris Nelsons bedankt sich bei seinen Musikern.

Ende eines Beethoven-Marathons: Dirigent Andris Nelsons bedankt sich bei seinen Musikern.

Foto: Barbara Frommann

Das Werk bricht sich gleich im ersten Takt mit einem temperamentvoll jubelnden Thema Bahn, eine Stimmung, die anders als in der vitalen siebten Sinfonie nicht einmal durch einen langsamen Satz einen ernst zu nehmenden Dämpfer erfährt, wie es etwa in der vorausgegangenen siebten noch mit dem Trauermarsch der Fall war.

Das City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO) fiel denn beim letzten Abend seines viertägigen Zyklus' in der ausverkauften Beethovenhalle mit den neun Sinfonien auch sprichwörtlich mit der Tür ins Haus. Dirigent Andris Nelsons wollte hier keine Vorsicht walten lassen, sondern feuerte seine Musiker an, alles zu geben. Gerade in dieser Sinfonie erweist sich Nelsons Konzept von der chronologischen Reihenfolge als überaus triftig.

Denn er kann so sehr schön ohrenfällig machen, dass die wegen ihrer Knappheit und ihren fehlenden dramatischen Konflikten oftmals als klassizistisch verharmloste Achte kein verkapptes Frühwerk ist, sondern in der Ausformulierung einer Idee nicht weniger radikal ist wie ihre berühmteren Nachbarwerke.

Man könnte ihre Modernität vielleicht am ehesten mit derjenigen von Sergej Prokofjews "Symphonie classique" vergleichen, die mit klassischen Mustern spielt, ohne wirklich klassisch zu sein. Das CBSO musizierte am Mittwochabend unglaublich druckvoll, aber auch deutlich artikuliert, im Jubel ebenso wie im feinen Humor des rhythmisch raffiniert komponierten Allegretto Scherzando.

Mit dem Beginn der Neunten betritt der Hörer eine ganz andere, geheimnisvolle Welt. Die von den Streichern und Hörnern des CBSO leise intonierten Quinten wirken wie ein Vorhang für das monumentalste unter den sinfonischen Werken Beethovens.

Hinter diesem Vorhang tat sich ein Drama auf, das mit den von Nelsons wirkungsvoll in Szene gesetzten Kämpfen des ersten Satzes begann und dem großen, weltumarmenden Chorfinale endete.

Der Kontrast in den Binnensätzen war freilich auch von erheblicher Qualität. Im Molto vivace überschriebenen Scherzo-Satz übernimmt die Pauke eine Hauptrolle, die auf markerschütternde Weise umgesetzt wurde. Absolut überzeugend erklangen auch die Holzbläserpassagen.

Als überragender Gestalter erwies sich Nelsons in dem mit großem Atem zelebrierten langsamen Satz. Dieses Adagio ist gleichsam die Blaupause für alle großen sinfonischen Adagio-Sätze späterer Komponistengenerationen. Das machte die Intensität von Nelsons' Leitung hier in jedem Augenblick deutlich. Er formte - mal mit, mal ohne Taktstock - die Melodiestimme, ließ die Musik wunderbar fließen.

Dem instrumentalen Beginn des Chorfinales verlieh das CBSO Biss. Nelsons zeigte im weiteren Verlauf ein untrügliches Gespür für den Spannungsaufbau, der zunächst im vom CBSO-Chorus machtvoll gesungenen Wort "Gott" kulminierte. Toby Spence sang das darauf folgende Tenorsolo mit schönem Ausdruck und Schmelz, ebenso wie zuvor Vuyani Mlinde ein eindrucksvolles Bass-Solo intoniert hatte.

Die kurzfristig für die erkrankte Annette Dasch eingesprungene Sopranistin Anna Gabler erfüllte ihre Aufgabe nach anfänglicher leichter Unsicherheit gut, und Lioba Brauns Mezzosopranstimme fügte sich perfekt ins Solisten-Ensemble. Am Ende aber waren es vor allem der groß besetzte, von Simon Halsey einstudierte Chor und das Orchester, die dem Triumph der "Götterfunken" Ausdruck verliehen. Fulminanter Jubel, der auch dem gesamten Zyklus galt.

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