Brühler Max Ernst Museum Grandiose Foto-Ausstellung "Real Surreal"

BRÜHL · Um das Reale infrage zu stellen, es zum Spielball der Fantasie zu machen und auf die Abenteuerreise in die Traumwelt mitzunehmen, wie es der internationale Surrealismus seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts tat, muss man es erst erkennen.

 Mensch in Auflösung: Herbert Bayers berühmtes Selbstporträt von 1932.

Mensch in Auflösung: Herbert Bayers berühmtes Selbstporträt von 1932.

Foto: Max Ernst Museum

Die Fotografie bot sich als objektives Medium zur Bestandsaufnahme der Dinge an, die Wissenschaften, nicht zuletzt Sigmund Freuds Psychoanalyse und Traumdeutung, dazu, hinter das Wesen der Dinge und der Wahrnehmung zu dringen. Was sich in der wichtigen Phase vor und nach 1920 tat, beleuchtet nun eine grandiose Ausstellung im Brühler Max Ernst Museum: "Real Surreal", eine Koproduktion mit dem Kunstmuseum Wolfsburg, beleuchtet die Rolle der Fotografie in diesem Prozess, der zum Surrealismus, einer Revolution der Künste führte, die noch heute ihre Ururenkel von David Lynch bis Tim Burton beeinflusst.

Dass man von "Real Surreal" aus in nur wenigen Schritten den Kosmos von Max Ernst betreten kann, der sich explizit mit Fotografie und realistischen Bildkünsten befasste, um die einer gründliche Metamorphose zu unterwerfen, ist ein großer Vorteil der neuen Ausstellung. Sie startet mit einem Prolog, der überzeugend zeigt, wie Fotografie seit ihren Anfängen nicht nur im Dienst der objektiven Wahrnehmung der Realität stand, sondern sich durchaus Spielereien erlaubte. Mit der Fotografie des Bauhauses setzt "Real Surreal" - Untertitel "Das Neue Sehen 1920-1950" - dann richtig ein. Technisch auf höchstem Niveau nimmt die Foto-Avantgarde das Reale unter die Lupe: Aenne Biermanns, August Sanders und Lotte Jacobis Porträts analysierten das Menschenantlitz, Albert Renger-Patzsch und Werner Mantz gehen in der Industriewelt auf die Suche nach Motiven, Fred Koch, Karl Blossfeldt und Alfred Erhardt finden in der Natur atemberaubende Strukturen und Formen, Artur Köster und Germaine Krull sezieren jeder mit eigener Handschrift gesellschaftliche Konventionen.

In dieser Schau, die sich aus der Sammlung des früheren Film- und TV-Produzenten Dietmar Siegert speist, fehlt keine der Ikonen der Zeit: Ob Man Ray, Herbert Bayer, Brassaï oder Hans Bellmer, Siegert hat sie alle. Rund 200 Werke sind zu sehen, übersichtlich gegliedert in ein Deutschland-Kapitel und eine hervorragende Abteilung über den Siegeszug des Surrealismus in Paris. "Nichts gibt dem Surrealismus so viel Sinn wie die Fotografie", wusste schon Salvador Dalí. Die Ausstellung belegt dieses Statement, und sie wartet mit einer Überraschung auf: Ein großes Kapitel ist der Szene Prag gewidmet, die sich durchaus als Avantgarde der Avantgarde präsentiert. Vieles wurde hier vorformuliert, was später in Paris Geschichte schrieb.

Max Ernst Museum, Brühl; bis 19. Juli. Di-So 11-18 Uhr. Katalog (Wienand) 28 Euro. Umfangreiches Rahmenprogramm. Informationen www.maxernstmuseum.lvr.de

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