Große Koalition für den Bilderverkauf?

Am Donnerstag fällt die Entscheidung im Bonner Stadtrat - Bärbel Dieckmann: "Eine geradezu kreative Lösung"

Bonn. Für die Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann ist der Verkauf eines Bildes aus dem Kunstmuseum zwecks Abbau der "Zeitwenden"-Schulden eine "geradezu kreative Lösung". Das jedenfalls schrieb sie der Mäzenin Dorothea von Stetten, die sich wegen des "Tabubruchs" aus der Riege der Museumsförderer verabschiedet hatte. Seinen Rückzug kündigte inzwischen auch Karl-Wilhelm Wedel an. Der Gründer und ehemalige Vorsitzende des Vereins der Freunde des Kunstmuseums ist "nicht bereit, diese Entwicklung, beginnend mit dem Verkauf des Baselitz-Bildes, zu akzeptieren". Das schrieb er dem amtierenden Vereinsvorsitzenden, Jochen Schultz, der seinerseits aus Protest seinen Hut nimmt. Insgesamt haben 13 Förderer den Verein verlassen, seitdem bekannt wurde, dass das Kunstmuseum 1,2 Millionen der insgesamt 1,9 Millionen Mark "Zeitwenden"-Schulden übernehmen muss.

Am Donnerstag steht der auch in der überregionalen Presse kritisierte und am Mittwoch zudem von der "Privatinitiative Kunst" des Bundesministers a. D. Gerhart R. Baum verurteilte Bilderverkauf im Bonner Rat zur Abstimmung an. So wollen es die Regularien. Die Entscheidung steht freilich schon seit dem 22. Dezember fest. In einem großkoalitionären Schulterschluss griffen Oberbürgermeisterin und CDU-Fraktionschef Reiner Schreiber zum Instrument der Dringlichkeitsentscheidung, um die Bilderaffäre noch vor Heiligabend vom Tisch zu bekommen. Der Verdacht, dass man einer Diskussion ausweichen wollte, liegt nahe. Die Oberbürgermeisterin entschuldigte in ihrem Antrag die Eile mit einem Teil des von der Sparkasse an die "Stiftung für Kunst und Kultur e.V." eingeräumten Kreditspielraums, der bis zum Jahresende 2000 befristet war. Freilich wäre wohl mit der Bank zu reden gewesen, zumal Bärbel Dieckmann im Brief an Dorothea von Stetten ausführt, Sparkassen seien öffentlich-rechtliche Einrichtungen mit städtischer "Gewährsträgerhaftung", und die Sparkassen-Stiftung (die neue Eigentümerin des veräußerten Baselitz-Bildes) "entspricht einem kommunalen Institut".

Gesprächsbedarf in allen Fragen herrscht jedenfalls bei den Bonner Grünen, in diesem Fall die einzige real existierende Opposition im Rat. Bei der heutigen Sitzung wollen sie beantragen, den Bilderverkauf und alle weiteren Schuldenzahlungen abzulehnen, die mit "Zeitwenden" zusammenhängen. Eine pikante Opposition hat sich in den Reihen der SPD gebildet: Das neue "Kulturforum der Sozialdemokratie" Bonn/Rhein-Sieg mit der Stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Barbara Richter an der Spitze verurteilte bei seiner Gründungsversammlung den vorgenommenen Bilderverkauf und fordert den Rat auf, die Dringlichkeitsentscheidung nicht zu bestätigen: "Museen als langfristige Sammler von Kulturgut können nicht durch Verkäufe kurzfristig zur Deckung von Haushaltsdefiziten herangezogen werden." Es scheint dennoch unwahrscheinlich, dass das Abstimmungsverhältnis der SPD-Fraktion, die erst am Montag abend massiv auf Dieckmann-Kurs eingeschworen wurde, davon beeinflusst wird.

Große Chancen hat also die Dringlichkeitsentscheidung: Bereitstellung von 350 000 Mark aus dem Etat des Kunstmuseums bis Ende 2000, ein Bild im Wert von 400 000 Mark für die Kunststiftung der Sparkasse sowie zwei Raten à 225 000 Mark aus dem Säckel des Museums in den Haushaltsjahren 2001 und 2002. Die Stadt Bonn verzichtet ferner gegenüber dem Verein "Stiftung für Kunst und Kultur" auf eine Erstattung der von ihr übernommenen 1,2 Millionen Mark unter der Bedingung, dass der Verein alle "Projektverbindlichkeiten" über 1,2 Millionen rechtsverbindlich übernimmt.

Für Bärbel Dieckmann ist dies laut Presseerklärung: "ein angemessenes, vertretbares und sachgerechtes Modell."

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