Regisseur Sönke Wortmann im GA-Interview Großes Kino für die Freunde des Ruhrgebiets

Bonn · Der erfolgsverwöhnte deutsche Regisseur Sönke Wortmann hat den Roman „Sommerfest“ von Frank Goosen verfilmt. Die leichte Komödie kommt am 29. Juni ins Kino. Und Autor Goosen liest am 27. Juni im Pantheon, auch aus „Sommerfest“.

 Regisseur Sönke Wortmann: „Im Ruhrgebiet bin ich der Exot, der Dinge tut, mit denen man nicht gerechnet hat“

Regisseur Sönke Wortmann: „Im Ruhrgebiet bin ich der Exot, der Dinge tut, mit denen man nicht gerechnet hat“

Foto: picture alliance / dpa

„Sommerfest“ heißt auch der feinsinnige Roman, den der Bochumer Schriftsteller, Kabarettist und VfL-Funktionär Frank Goosen vor fünf Jahren herausgebracht hat. Ein Buch, das nach Verfilmung schreit. Doch es kam eigentlich nur ein Filmemacher in Frage, einer aus dem Pott, der die Leute kennt. Sönke Wortmann also, 1959 in Marl geboren, als Sohn eines Bergmanns. Passt.

Dem Regisseur von Kinohits wie „Der bewegte Mann“ und „Das Wunder von Bern“ ist eine kongeniale Literaturverfilmung gelungen. Auch weil er wichtige Rollen und Funktionen mit echtem Pott-Personal besetzt hat. Hauptdarsteller Lucas Gregorowicz beispielsweise ist in Bochum aufgewachsen. Die witzigsten Momente des Films ergeben sich aus einem mehrmals wiederholten Kurzdialog. „Was machst du beruflich so?“, wird Stefan dauernd gefragt. „Schauspieler in München“, sagt er dann. „Muss man dich kennen?“ – „Nein.“ Mit Sönke Wortmann sprach Heinz Dietl in Köln.

GA: Herr Wortmann, was machen Sie beruflich so?

Sönke Wortmann: Beruflich? Ich bin Regisseur.

GA: Muss man Sie kennen?

Wortmann: Nein.

GA: Dieser Dialog zieht sich wie ein roter Faden durch den Film. Wie ergeht es Ihnen, wenn Sie als Wahl-Düsseldorfer ins Ruhrgebiet kommen, wo Sie aufgewachsen sind? Kann es passieren, dass man Sie nicht kennt?

Wortmann: Ja, das passiert ganz oft, weil man mein Gesicht nicht kennt. Und den Stefan im Film kennt man nicht, weil er Theater spielt.

GA: Ein allgemeines Problem?

Wortmann: Die große Schauspielkunst am Theater ist im Zweifel nicht so viel wert wie ein Auftritt im „Tatort“. Ich persönlich werde vielleicht einmal pro Woche erkannt. Das ist wenig, aber ich bin froh darüber.

GA: Wie verlaufen denn Gespräche mit alten Freunden?

Wortmann: Einerseits bin ich der Exot, der Dinge tut, mit denen man nicht gerechnet hat. Man spürt also einen gewissen Respekt. Andererseits dauert dieser Moment maximal fünf Minuten, dann ist im Ruhrgebiet das Wesentliche geklärt.

GA: Und was passiert dann?

Wortmann: Man befindet sich wieder auf Augenhöhe – und darf sich mit Freude weiterhin beleidigen, was wir im Ruhrgebiet ganz gern tun.

GA: Trotzdem ruhen sich weder Buch noch Film auf Klischees aus. Der Strukturwandel spielt eine Rolle. Hat das Ruhrgebiet eine neue Identität gefunden?

Wortmann: Ich denke, es befindet sich noch auf der Suche. Industriekultur könnte ein Aspekt sein.

GA: Wie läuft im Idealfall die Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Romanautor ab?

Wortmann: Ich habe großen Respekt vor dem Autor, will ihn kennenlernen und ihm das Gefühl vermitteln, dass sein Buch bei mir in guten Händen ist. Denn: Wenn er das Buch abgibt, kann ich damit machen, was ich für richtig halte. Manche Autoren verstehen das, andere nicht. Film ist ein anderes Medium als ein Roman.

GA: Was heißt das in der Praxis?

Wortmann: Als Regisseur muss ich bestimmte Dinge ganz weglassen, einige Elemente anders gewichten. Wenn ich der Meinung bin, dass es nicht wie im Buch der Onkel sein sollte, der gestorben ist, sondern der Vater, dann will ich das machen können. Das spricht man vorher ab.

GA: Müssen Sie das?

Wortmann: Ich wäre doof, wenn ich den Autor des Buches nicht einbeziehen würde. Aber das tue ich freiwillig. Ich zeige dem Autor auch den Rohschnitt des Films.

GA: Sie zeigen Bochum als durchaus stimmungsvolle, aber unaufgeregte Stadt. Wie entstehen Ihre Bilder?

Wortmann: Im Kopf. Vor dem ersten Drehtag ist der Film fertig: Ich weiß, wie die Bilder aussehen – und wie der Film klingen wird. Man spricht sich vorher im Team ab, definiert die Grundkoordinaten. Der Rest geht nach Gefühl, man lässt sich treiben.

GA: Welche Grundkoordinaten hat „Sommerfest“?

Wortmann: Mit dem Kameramann Michael Wiesweg hatte ich mich auf ein paar Code-Wörter verständigt. Eines davon war „lakonisch“, beiläufig also. Nach abgedrehten Szenen haben wir uns kontrolliert: „War das lakonisch genug?“

GA: Sie hatten letztens den Sechsteiler „Charité“ im Fernsehen. 8,2 Millionen Zuschauer allein bei der ersten Folge. Haben Sie den Erfolg bereits verkraftet?

Wortmann: Klar. Ich bin über 50, da verkraftet man so was leicht. Ich hatte bei „Charité“ ein gutes Gefühl. Ich bin davon ausgegangen, dass die Zuschauer das Thema interessieren könnte, auch weil die deutsche Kaiserzeit bislang im Film noch nicht erzählt ist.

GA: Und es geht weiter mit „Charité“. Sind Sie dabei?

Wortmann: Nein, die zweite Staffel drehe ich nicht. Sie spielt in der Nazizeit, die mich weniger interessiert. Folge drei soll in der frühen DDR angesiedelt sein. Das würde ich wieder übernehmen.

GA: Was machen Sie als nächstes?

Wortmann: Weiß ich nicht. Ich war sehr fleißig, hatte vier Premieren in den vergangenen fünf Monaten. „Charité“, „Sommerfest“, dann habe ich den Film „Lommbock“ produziert und im Düsseldorfer Schauspielhaus das Stück „Willkommen“ inszeniert, die neue Komödie von Lutz Hübner. Jetzt will ich mal etwas kürzer treten.

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