Hans Hollmann inszeniert "Król Roger" in Bonn

Szymanowskis Oper feiert am Sonntag Premiere - Aufführung in polnischer Sprache mit deutschen Untertiteln

Hans Hollmann inszeniert "Król Roger" in Bonn
Foto: Thilo Beu

Bonn. An die wilden 80er Theaterjahre erinnert Hans Hollmann sich noch gut. Und gern. An die Zeit, als Elfriede Jelinek noch nicht durch einen Nobelpreis geadelt war und ihre Stücke von Österreich verschmäht wurden und in Deutschland Skandale hervorriefen.

Allein zwei Dramen der in jeder Hinsicht kompromisslosen Schriftstellerin hat Hollmann damals in Bonn uraufgeführt: "Clara S." (1982) und "Krankheit" (1987). Vor allem das frühere Stück hatte das Publikum nicht nur irritiert, sondern regelrecht in Rage gebracht.

Gegenstand war ein fiktives Zusammentreffen von Clara und Robert Schumann mit dem italienischen Dichter und Nationalhelden Gabriele d'Annunzio im Jahre 1929. "Damals ging man ja noch in Smoking und Abendkleid zu den Premieren", sagt er. Zurückhaltender in seines Reaktionen war man deshalb nicht.

"Die Leute haben die Besetzungszettel ihrer Programmhefte zusammengeknüllt und uns damit beworfen", erinnert der 1933 in Graz geborene und heute in Basel lebende Regisseur sich an die heftige Reaktion des Publikums, die vor allem ihm selbst und der Autorin galten.

Hollmann, der nach Jelinek 1987 auch den Kultautor Rainald Goetz mit der Uraufführung des Dramas "Krieg" auf der Bühne der damaligen Bundeshauptstadt etablierte, studiert derzeit am Bonner Opernhaus Karol Szymanowskis "Król Roger" (König Roger) ein.

Was die Auswahl der Schauspiel- und Opernwerke angeht, die der Theatermann heute auf die Bühne bringt, ist er sehr wählerisch. Er hält's da mit Goethe, dessen "Faust-Prolog" er einen Teil seines Credos entnimmt: "Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen / Gelassen da und möchten gern erstaunen." Diese "Erstaunen" sei ihm äußerst wichtig, sagt Hollmann.

Und von Elias Canetti habe er gelernt, dass jede Figur auf dem Theater ihre eigene "akustische Maske" haben müsse und jedes Drama auf einer völlig neuen Geschichte basieren sollte. In "Król Roger" sieht er die Bedingungen erfüllt. Tatsächlich wird in den anderthalb Stunden, die das sehr konzentrierte, 1926 in Warschau uraufgeführte Stück dauert, kein Allerwelts-Opernplot abgespult.

In dieser Oper werde zum ersten Mal die Homoerotik thematisiert, sagt Hollmann, nicht offen, aber offensichtlich. Szymanowski, der selbst homosexuell war, habe hier auf verschlüsselte Weise den Weg eines verheirateten Mannes in eine homoerotische Welt beschrieben.

Man werde Zeuge eines "Coming out" eines Mannes in der Mitte des Lebens, sagt Hollmann. Die Geschichte spielt im byzantinischen Sizilien des 12. Jahrhunderts. Unruhe in die friedliche Welt des überschaubaren Reiches König Rogers bringt ein junger Hirte, der für ein hedonistisches Lebensideal eintritt und seine Umwelt verführt, ihm zu folgen.

Selbst der König und seine Frau Roxana können sich der erotischen Ausstrahlung des Hirten nicht entziehen und nehmen an einer orgiastischen Feier teil. Der Schluss des Werks ist für Hollmann zugleich der Schlüssel zu dessen Verständnis. Der König widersteht nach dem orgiastischen Treiben dem Locken des Hirten und bleibt allein mit seinem Gefährten Edrisi auf der Bühne zurück, während die Musik in reinstem C-Dur dem Schlusshöhepunkt entgegenschwelgt.

Für Hollmann gibt es hier eine "semantische Diskrepanz" zwischen Text und Musik, die zugleich die Keimzelle der Geschichte sei. Warum schließt er sich nicht der Gesellschaft an? Warum will er im Schlussbild sein Herz der Sonne als Opfer darbringen? "Der König hat den Wunsch, anders zu sein, als er ist." Ihm diesen Wunsch zu erfüllen, davor scheute Szymanowski zurück.

Denn wäre der König, wie seine Frau, dem Hirten gefolgt, hätte das - da ist sich Hollmann sicher - einen Skandal ausgelöst. Szymanowski war Katholik und als Direktor der Musikakademie in Warschau ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Ein Schluss, der offen die Homosexualität als Lebensform propagiert, wäre damals nicht möglich gewesen.

Homosexualität unter Männern war ein Straftatbestand und wurde auch so geahndet, weiß der promovierte Jurist Hollmann. Von der Musik, die dazu aus dem Orchestergraben klingt, ist Hollmann ganz und gar hingerissen, und er bewundert, wie Dirigent Stefan Blunier sie mit dem Beethoven Orchester modelliert.

Mit Blunier arbeitete er zum ersten Mal zusammen. Mit Bühnenbildner Hans Hoffer hingegen verbindet ihn eine lange Beziehung, die mit "Clara S." vor 25 Jahren in Bonn begann: "Wir feiern hier also ein kleines Jubiläum", sagt Hollmann lächelnd.

Premiere am Sonntag, 10. Mai, 18 Uhr, in der Bonner Oper. In polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Karten im GA-Ticket-Shop

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Aus dem Ressort