Harry Rowohlt ist "Reif und Bekloppt"

Harry Rowohlt präsentiert sich einem begeisterten Publikum als würdiger Träger des Prix Pantheon. Für einen Teil der 4 000 Euro, die er als Träger des Prix Pantheon erhält, hat er bei Karstadt in der Poststraße ein neues Sakko gekauft.

 Die Urkunde macht es amtlich: Harry Rowohlt ist "Reif und Bekloppt".

Die Urkunde macht es amtlich: Harry Rowohlt ist "Reif und Bekloppt".

Foto: Pantheon

Bonn. Es ist ein kleines Lehrstück in Sachen Umwegrentabilität von Kultur: Für einen Teil der 4 000 Euro, die Harry Rowohlt als Träger des Prix Pantheon in der Kategorie "Reif und Bekloppt" erhält, hat er bei Karstadt in der Poststraße ein neues Sakko gekauft.

Ein durchaus ansehnliches Kleidungsstück, wie man bei der Lesung, die er jetzt als frisch gekürter Preisträger zum Auftakt des diesjährigen Prix Pantheon gab, sehen konnte.

Das Theater war natürlich ausverkauft. Denn Rowohlts Lesungen sind das, was man Kult nennt. Das hat auch mit der unkonventionellen Erscheinung des überzeugten Altlinken zu tun, dessen mächtig sprießender grauer Bart einerseits an Karl Marx erinnert, andererseits aber auch den "Penner" in der Lindenstraße, den er seit 15 Jahren spielt, angemessen schmückt.

Zwar säuft er wegen einer unheilbaren Nervenkrankheit seit dem 26. Juli 2007 nicht mehr, wie er erklärt, doch selbst wenn er seine Lesungen nun nicht mehr als "Schausaufen mit Betonung" deklarieren kann, sind sie sehr, sehr unterhaltsam.

Im Mittelpunkt stehen nicht allein die literarischen Werke, die er in einem prall gefüllten blauen Jutesack in die Kellerbühne trägt, sondern auch die Abschweifungen, die mit klassischen Anmoderationen der Texte nichts zu tun haben. Die Sakko-Episode etwa ist Teil der Ouvertüre, die Rowohlt selbst Anschleimphase nennt.

Solche Ausführungen machen einen Rowohlt-Abend für das Publikum zu einer Grenzerfahrung, bei der man sich nie ganz sicher sein kann, einer Lesung beizuwohnen oder einem Einmann-Theaterstück.

Der knarzige Hamburger übt zwar im Hauptberuf die Schreibtischarbeit des Übersetzens aus, auch als Kolumnist muss er nicht aus dem Haus gehen. Aber ihm gelingt das Kunststück, diese beiden Berufe als Grundlage für ein ganz eigenes, von schrägem Humor geprägten Bühnengenre zu nutzen. Das macht ihn zu einem würdigen Träger eines Preises mit dem in der Regel eher verdiente Kabarettisten ausgezeichnet werden.

Zunächst las Rowohlt aus seiner Übersetzung von Andy Stantons Kinderbuch "Sie sind ein schlechter Mensch, Mr Gum". Seiner kennerhaften Einschätzung nach steht "Mr Gum" in der "Tradition des schwerst bekifften englischen Kinderschrifttums". Der Titelheld ist ein ziemlich abgedrehter Fiesling, er hasst, wie man erfährt, "Kinder, Tiere, Spaß und Mais mit Butter und Salz".

Doch schon der Titel des Büchleins gibt Rowohlt Anlass, über die hohe Kunst des Übersetzens zu dozieren. Dass der Titelheld auf Wunsch des Verlags im Deutschen nicht "Herr Gum" heißt, schmerzt ihn. "Als Übersetzer wird man nicht dafür bezahlt, dass man ,Sandwich? mit ,Sandwich? übersetzt, sondern mit ,Klappstulle?", sagt er mit einem strengen Ton in der sonoren Stimme.

In seinem 65-jährigen Leben hat Rowohlt eine schier endlos scheinende Liste von Büchern übersetzt, die von Kinderbuchklassikern wie Alan Alexander Milnes "Pu der Bär" bis zu den Werken großer englischsprachiger Schriftsteller wie Robert Crumb, Flann O'Brien, David Sedaris, Kurt Vonnegut oder Frank McCourt reicht. Mit Letzterem verband ihn eine enge Freundschaft, was auch dem Nachruf auf den 2009 verstorbenen Schriftsteller zu entnehmen war, den Rowohlt vor der Zugabe las.

Als Zugabe beendete er die dreistündige Lesung mit dem Dramolett "Knolls Katzen" des jungen Autors Jan Neumann. Diesen Loriot-würdigen Ausflug in die neuere deutsche Literatur absolvierte Rowohlt ohne eine weitere Abschweifung - und machte das Publikum Rasen vor Lachen.

Harry Rowohlt tritt noch einmal bei der Prix-Pantheon-Gala am 7. Juni im Brückenforum auf. Karten in den GA-Zweigstellen und unter bonnticket.de.

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