Helmut Friedel spricht im Kunstmuseum über Kandinskys Werk

Schülerin, Gefährtin, Sitzengelassene - Kuratoren fügten sich in Rolle als Stichwortgeber - Hochspannende und sehr gut besuchte Führung durch aktuelle Austellung

  Helmut Friedel ist Direktor  der Galerie im Städtischen Lenbachhaus und Kunstbau München.

Helmut Friedel ist Direktor der Galerie im Städtischen Lenbachhaus und Kunstbau München.

Foto: Franz Fischer

Bonn. Der angekündigte "Dialog" im Bonner Kunstmuseum wollte zunächst nicht so recht in Gang kommen. Dazu hatte Helmut Friedel, Direktor des Münchener Lenbachhauses und besonderer Gast des Abends, einfach zu viel zu erzählen. Sei's drum, werden sich die Kuratoren des Kunstmuseums Volker Adolphs und Christoph Schreier gedacht haben und fügten sich in ihre Rolle als Stichwortgeber in einer letztlich hochspannenden und sehr gut besuchten Führung durch die aktuelle Ausstellung über die Druckgrafik von Wassily Kandinsky.

Wer könnte auch besser Auskunft geben über das künstlerische und kunsttheoretische Werk von Kandinsky und seinem konsequenten Weg in die Abstraktion als der Direktor jenes Hauses, das in einzigartiger Geschlossenheit dessen Werk bewahrt. Der Großzügigkeit von Gabriele Münter sei dies zu verdanken, erzählte Friedel, denn sie war es, die dem Lenbachhaus 1957 sämtliche Werke von Kandinsky aus ihrem Besitz schenkte.

1902 war die 25-jährige Münter nach München gekommen und in Kandinskys Kunstschule "Phalanx" zunächst seine Schülerin geworden. Ihr weiterer Weg als seine Gefährtin und schließlich Sitzengelassene steht, trotz der eigenständigen künstlerischen Leistung von Münter, bis heute im Schatten Kandinskys. Künstlerischer Gleichklang zwischen beiden und persönliche Enttäuschung lagen dicht beieinander. Zwar endet ihre Beziehung dramatisch, als Kandinsky zu Beginn des Ersten Weltkrieges das Land verlassen muss, aber 1925 überlässt er ihr offiziell einen Großteil seines Lebenswerkes.

Damals lehrte Kandinsky, inzwischen mit der Russin Nina Andrejewskaja verheiratet, am Bauhaus in Weimar und Dessau. In der Grafikmappe "Kleine Welten", die ebenfalls in der Bonner Ausstellung gezeigt wird, systematisiert er das bisher Erreichte. "Es war wohl die glücklichste Zeit seines Lebens", glaubt Helmut Friedel. Im folgenden Jahr erscheint die wichtige Schrift "Punkt und Linie zu Fläche", und Kandinsky und seine Frau werden deutsche Staatsbürger.

Als das Bauhaus 1933 endgültig von den Nationalsozialisten geschlossen wird, emigriert Kandinsky nach Paris. Den richtigen Anschluss, meint Helmut Friedel, habe er dort nicht mehr gefunden, obwohl er und seine Frau 1938 die französische Staatsbürgerschaft annehmen. Zahlreiche seiner Werke in deutschen Museen werden als "entartet" beschlagnahmt, und die kleineren Ausstellungen in Frankreich leiden unter den erschwerten Bedingungen.

Unterdessen hütet und versteckt Gabriele Münter, die selbst Ausstellungsverbot hat, in einem kleinen Raum im Keller ihres Hauses in Murnau sorgsam Kandinskys Werk. An ihrem 80. Geburtstag übergibt sie der Städtischen Galerie im Lenbachhaus seine Arbeiten, darunter 90 Gemälde, die gesamte Korrespondenz sowie 400 Arbeiten auf Papier.

InfoAm 24. Juni um 19 Uhr wird Til Macke in der Reihe "Querpass" über Wassily Kandinsky und August Macke sprechen.

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