Contra-Kreis-Theater Horst Johanning inszeniert die Komödie "Der Kurschattenmann"

BONN · Grashüpfer, Seepferdchen oder Flamingo - bei den Kosenamen für die reizenden Damen ist der charmante Ulrich recht erfinderisch. Auch bei der Konstruktion seiner eigenen Identität zeigt er beachtlichen Einfallsreichtum. Der Banker, spezialisiert auf "konvergente Ausgleichsfinanzierung", lädt seine Angebeteten gern zum schicken Italiener mit dem unübertrefflichen Jahrgangsgrappa ein, hat aber immer nur einen 500-Euro-Schein dabei, weshalb die Dame dann ihre Kreditkarte zücken muss.

Ulrich ist ein "Kurschattenmann". Mit der gleichnamigen Komödie hat René Heinersdorff, Leiter des Düsseldorfer Theaters an der Kö und regelmäßig zu Gast am Bonner Contra-Kreis-Theater, nicht nur das wunderbare alte Wort "Kurschatten" wiederbelebt, sondern auch ein "Sanatorium" (Untertitel) geschaffen, in dem Lachen die beste Therapie ist. Das Schönste an der Sache ist nämlich, dass die wohlhabenden älteren Damen, die in der kleinen niedersächsischen Kurstadt Bad Pyrmont bei Hameln Heilung suchen, viel zu schlau sind, um einem Rattenfänger auf den Leim zu gehen. Die Golden Girls glauben also nicht wirklich an das Blaue vom Himmel. Es hilft indes gegen die Lebensabendskälte.

Starschauspieler Volker Brandt (im wirklichen Leben Jahrgang 1935) verkörpert quicklebendig den wortgewandten Lügner, der selbst um einen tauben Daumen noch so fantastische Geschichten ranken kann, dass alle weiblichen Herzen in Wallung geraten. Nicht gespart hat Regisseur Horst Johanning beim ansehnlichen Damenquartett, das sich kokett erotische Beinfreiheit ebenso locker noch leisten kann wie die raffinierten feuerroten Kostüme von Romy Cordes.

Die spielen eine durchaus tragende Rolle in der Inszenierung von Oda, die das Sanatorium munter aufmischt. Die Entlarvung des Verführers ist nur das Sujet der schamlos kettenrauchenden und Whisky trinkenden Lebenskünstlerin mit mediterranem Migrationshintergrund und einschlägigen Erfahrungen im mittleren Osten. Poker oder Piano ist keine Frage mehr, wenn Simone Rethel sich als Oda verführerisch auf dem Flügel räkelt. Zumal ihre Lügengeschichten jeden verlogenen Kurschatten das Fürchten lehren können.

Christine Schild als zuwendungsbedürftige, unglücklich verheiratete Alice bewahrt in jeder prekären Situation die Haltung einer kurzfristig unbesonnenen Geschäftsfrau. Die zierliche Ingrid Steeger läuft als psychisch angeschlagene Edith zu großer Form auf, überlässt im pinkfarbenen Trainings-Anzug ihr Klimbim-Image einer voluminösen TV-Kollegin und spielt sehr zartfühlend die leicht verhuschte Witwe, die in der Klinik ein dauerhaftes Familienglück sucht. Sibylle Nicolai ist die eigentlich durch nichts mehr zu erschütternde Krankenschwester Isabel.

Erfundene Geschichten sind die Wirklichkeit des Theaters. Es lügt im außermoralischen Sinn und spielt hier intelligent mit dem harten Wahrheitskern: Alle auf der Bühne sind über 60, aber so lebenslustig, dass es auch Jüngere anstecken könnte. Standing Ovations im Contra-Kreis-Theater.

Weitere Vorstellungen bis zum 21. Mai fast täglich. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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