"Ich lade gern' mir Gäste ein"

Süffige Überraschungseinlagen versüßen die Silvester-Aufführungen der Bonner "Fledermaus" - Wolfgang Lischke gibt dabei ein respektables Debüt als Dirigent der Strauß-Operette

  Unschuld vom Lande:  Szene aus Joachim Schlömers Inszenierung der "Fledermaus".

Unschuld vom Lande: Szene aus Joachim Schlömers Inszenierung der "Fledermaus".

Foto: Thilo Beu

Bonn. "Die Majestät wird anerkannt rings im Land, jubelnd wird Champagner der Erste genannt." Die Erhebung von Alkohol in den höchsten Adelsstand während des rauschenden Maskenballs im zweiten Akt der "Fledermaus" zählt gewiss zu den amüsantesten Huldigungen prozenthaltiger Flüssigkeiten.

Bei den beiden Silvester-Aufführungen der Straußschen Operette in der Bonner Oper spielte Alkohol in Anbetracht des wenige Stunden später erfolgenden bundesweiten Korkenknallens geradezu selbstverständlich eine Hauptrolle: Ein Extraschuss süffig-musikalischer Einlagen erwartete den ausverkauften Saal der Nachmittagsvorstellung am Ende des zweiten Akts.

Doch zunächst die Ouvertüre. Knallig und rasant begann Wolfgang Lischke sein respektables Debüt als "Fledermaus"-Dirigent, das Orchester spielte unter seiner Leitung durchweg differenziert, ungeheuer klangschön, und hatte in den schwungvollen Passagen meist den richtigen Drive.

Für die erkrankte Marina Ivanova vom Mannheimer Nationaltheater, die eigentlich als Gast die Partie der Adele in der Nachmittagsvorstellung singen sollte, trat Antje Bitterlich aus Flensburg als würdiger Zimmermädchen-Ersatz auf die Bühne. Tosender Applaus, als sie dem lüsternen Playboy Eisenstein auf dem Kostümball stimmkräftig Paroli bot, weil der in ihr seine Zofe zu erkennen meinte - ihr Sopran traf selbst die höchsten Tonlagen sehr akkurat.

Viel Anerkennung gab es auch, als sie im dritten Akt demselben Weiberhelden mit ihren weißen Pumps das Hinterteil versohlte, während sie zuckersüß die "Unschuld vom Lande" mimte. Für die Silvesterüberraschung hatte die Theaterleitung die Aussage des Wüstling-Grafen Orlofsky - "Ich lade gern' mir Gäste ein" - wörtlich genommen.

Zur (gespielten) Empörung der Darsteller wurde die Operette zwischen dem zweiten und dritten Akt unterbrochen und Otto Katzameier machte sich als Moderator mit breitestem Wiener Dialekt einen Spaß daraus, das Publikum durch falsche Ankündigungen der dann folgenden Extra-Darbietungen zu necken.

Zunächst sang der Tenor Patrick Henckens, der in der "Fledermaus" als Liebhaber Rosalindes eigentlich gerade den Arrest ihres Mannes absaß "Grüß mir mein Wien" aus der "Gräfin Mariza" mit viel Sehnsucht und Schmelz in der Stimme.

Dann interpretierten Sigrún Pálmadóttir und Timothy Simpson als "special guests" mit gefüllten Weingläsern das Trinklied "Brindisi" aus "La Traviata" und machten damit gleich eindrucksvoll Werbung für die Premiere der Verdi-Oper, die sich demnächst in Bonn ereignen wird. Beim Schlussapplaus senkte sich ein glitzernder Schriftzug vor den goldenen Lametta-Vorhang - "Ein glückliches 2006" -, eine nette Geste der Bonner Theaterleitung.

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