"Ich liebe rote Punkte - ohne Limit"

Mit großen Schritten nähert sich der Bonner Kunstverein nach der Renovierungspause dem Neustart: Vor der Wiedereröffnung gibt es einen ersten Einblick

  Monumentale Lichträder  stehen am Beginn der Neukonzeption des Vorplatzes für Künstlerforum (links), Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (Mitte) und Kunstverein (rechte fünf Fensterachsen).

Monumentale Lichträder stehen am Beginn der Neukonzeption des Vorplatzes für Künstlerforum (links), Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (Mitte) und Kunstverein (rechte fünf Fensterachsen).

Foto: Fischer

Bonn. In Zeiten, wo sich mancher langsam für den Winterschlaf rüstet, werden andere hellwach: Der Kunstverein etwa steuert mit lautem Baulärm auf seine Wiedereröffnung zu.

Der rund sechs Monate dauernde Schönheitsschlaf hat sich, das kann man schon jetzt, knappe zehn Wochen vor dem Neustart sehen, unbedingt gelohnt. Hell und offen präsentiert sich das Entree, in das bald ein Plexi-Kubus gestellt wird, der als Kiosk für Eintrittskarten und Kataloge dienen wird, gleichzeitig als transparente Präsentation für Kunstmagazine, die der Besucher dann in der Kunstvereins-Lounge lesen kann.

Eine Espresso-Maschine soll für gastliche Atmosphäre sorgen, eine Wandarbeit des Kölner Künstlers Michael Bauer das Entree eindeutig als Kunstort definieren. Wenige Schritte weiter kann man sich bald aus der Artothek ein Kunstwerk fürs heimische Wohnzimmer aussuchen. Die modernen verschiebbaren Bilderwände stehen schon da. Hier wird sich die Artothek, die die gesamte Bauphase über an anderer Stelle im Kunstverein aktiv war, neu präsentieren.

Dem Düsseldorfer Architekturbüro "rheinflügel" ist gelungen, was angesichts des maroden Zustandes der Immobilie von Haus-Rucker-Co kaum denkbar schien: Es hat den Kunstverein ins 21. Jahrhundert verfrachtet, mit dem Standard, den eine professionelle Kulturmaschine braucht.

Wenn sich der Kunstverein vor dem Neustart am 9. Februar 2007 jetzt in kleinen Schritten öffnet, werden als erstes die Kritiker verstummen. Wer eine Luxussanierung befürchtete, wird sehen, dass hier das funktional Nötigste getan wurde, um den Ausstellungsbetrieb auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen.

Und dazu gehören eben glatte, stabile Wände und eine Beleuchtung, die den Namen verdient. Verstummen weden auch jene, die den Einbau eines raumhohen begehbaren Kubus in die große Ausstellungshalle monierten.

Durch diesen Eingriff ist ein sehr harmonisches, variables Raumgefüge entstanden, das bis zu drei separate Ausstellungen ermöglicht. Das Innere des Kubus ist aber auch als grafisches Kabinett oder kleines Video-Kino denkbar. In jedem Fall hat Direktorin Christina Vegh jetzt viel mehr Möglichkeiten, Kunst zu präsentieren.

Eine Variante wird jetzt im laufenden Umbaubetrieb getestet: Im hinteren Raum erinnert eine filigrane Garn-Installation von Christof Zwiener an eine Arbeit von Miró, die am 11. September 2001 mit dem New Yorker World Trade Center unterging (die Schau der Reihe "Terrain Vague" wurde am vergangenen Donnerstag eröffnet); in den Kubus werden gerade die Jahresgaben gehängt.

Sie sind am kommenden Wochenende zu sehen und können auch gekauft werden. Gewöhnlich dient die Jahresgaben-Schau der Belohnung der Mitglieder für ihr Engagement, der Akquise neuer Sympathisanten, und sie spiegelt oft das abgelaufene Ausstellungsjahr.

Schließlich positioniert sich ein Kunstverein durch die Auswahl im Feld der Konkurrenten. Reichhaltig und qualitätvoll wie lange nicht mehr kommt 2006 das Angebot daher, als schöne Mischung etablierter Künstler und solcher, die - mit viel Potenzial - am Anfang stehen.

Leiko Ikemuras "Wellenwindwesen" oder Thomas Schüttes witzige Hommage an Wilhelm Busch, Martin Noëls in Künstlerkreisen weit verbreitetes Bekenntnis "Ich liebe rote Punkte - ohne Limit", ein Holzschitt mit rotem Punkt, schließlich Christoph Dahlhausens "Coloured Dots": Das sind Arbeiten aus der Prominenten-Ecke.

Dazu gehören auch hinreißende Farbcollagen-Unikate des Düsseldorfers Ulrich Erben, die Fotoarbeit "Licht und Luft" von Mischa Kuball oder - ein echter Leckerbissen für Sammler - eine Pigmentarbeit von Günter Umberg, Protagonist der "Radikalen Malerei".

Das Künstlerbuch "Im Gaumen des Clowns" von Anna Amadio, eine wunderbare filigrane Papierarbeit von Katarina Hinsberg oder die Performance "Horst", die man für 1 200 Euro bei dem Trio Gerlach/Paulick/Schreier buchen, kann zählen zu den weiteren Attraktionen des Jahresgaben-Programms. Bei äußerst moderaten Preisen von 100 bis 1 200 Euro dürfte für jeden etwas dabei sein, Hauptsache er ist Mitglied im Kunstverein - oder wird es.

Bei Kaffee, Kuchen, Suppe und Wein kann man am Samstag 2., und Sonntag 3. Dezember, jeweils von 11-18 Uhr, Jahresgaben begutachten, kaufen - und die neuen Räume des Kunstvereins sehen.

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