"Ich mag diese zerrissenen Charaktere"

Xenia Snagowski spielt die Medea in Klaus Weises Inszenierung am Theater Bonn

"Ich mag diese zerrissenen Charaktere"
Foto: Thilo Beu

Bonn. Sie sieht auf den ersten Blick nicht unbedingt so aus, als würde sie sich später am Nachmittag in eine wahrhaft mythische und zutiefst tragische Gestalt verwandeln - in die Medea in der gleichnamigen Tragödie von Euripides aus dem Jahr 431 v. Chr.

SIe ist der Inbegriff der rachsüchtigen Frau, die aus enttäuschter Liebe über Leichen geht. In diesem Fall die ihrer Kinder. Das ist ihre Rolle, doch jetzt gerade sitzt Xenia Snagowski in einem Straßencafé mitten in Bad Godesberg, genießt ihren Cappuccino.

Wobei die äußere Ruhe dann doch wieder täuscht, das gibt die 30-Jährige zu. "Lampenfieber habe ich vor jeder Premiere. "Jetzt geht es ja noch. Aber kurz vorher sterbe ich 1 000 Tode und wünsche ich mir, ich wäre sonstwo."

Dabei bräuchte die Schauspielerin, die jetzt in ihr zweites Jahr am Theater Bonn startet und mit Klaus Weises Inszenierung der "Medea" in einer Übersetzung von Hubert Ortkemper am Freitagabend die Spielzeit 2007/2008 in den Godesberger Kammerspielen eröffnet, gar nicht nervös zu sein.

Der Regisseur weiß offenbar, was er an seiner Hauptdarstellerin hat. Und das nicht erst, seit Xenia Snagowski von "Theater heute" als Nora in Ibsens gleichnamigen Drama zu den Höhepunkten der Saison gezählt und in zwei weiteren Kritiker-Umfragen zur Spielzeit 2006/2007 für dieselbe Rolle zur besten Schauspielerin gewählt wurde.

Und auch dieses Jahr wird sie oft und regelmäßig auf den Bonner Bühnen zu sehen sein. Dafür sorgt allein schon die geplante Wiederaufnahme der Stücke "Nora" und "Emilia Gallotti" sowie des "Sommernachtstraums".

Und jetzt also auch die "Medea". Noch eine dieser schwierigen, Frauen. Aber für Snagowski eine Traumrolle, ohne Frage: "Ich mag diese innerlich zerrissenen Charaktere. Die abgründig sind. Und bei denen man sich ständig fragt: Wer ist die, was will sie. Warum macht sie das?"

Warum sie Schauspielerin werden wollte, das wusste Xenia Snagowski nach eigenem Bekunden "zwar erst relativ spät, aber dann ganz genau". In Moskau geboren und bei ihren Großeltern in der Ukraine aufgewachsen, zog sie später mit ihren Eltern nach Gera in die ehemalige DDR.

Und entdeckte die Leidenschaft für die Bühne kurz vor dem Abitur in einer Jugendtheatergruppe. Nach einem kurzen Umweg als Erzieherin begann Snagowski 1997 ihr Schauspielstudium in Rostock. Und widerstand nach ihrer Rolle in dem Film "Helden wie wir" (1999) der Versuchung weiterer Angebote von Film und Fernsehen, um ihr Studium zu beenden.

"Meine Leidenschaft gehört dem Theater", sagt sie. "In immer neue Rollen zu schlüpfen, an die eigenen Grenzen stoßen und auf der Bühne Dinge zu tun, die ich sonst niemals tun würde, die Zuschauer zu berühren, sie zum Lachen oder auch zum Nachdenken zu bringen. Das ist meins!"

In der Zeit von 2001 bis 2003 war die junge Schauspielerin bei den Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach zu sehen. Am Thalia Theater Hamburg hatte sie zuvor schon in Molières "Der eingebildete Kranke" (Regie: Leander Haußmann) ein Gastspiel gegeben.

Es folgten weitere Gastspiele sowie auch Fernsehrollen in Serien wie "Edel & Starck" und "Klinikum Berlin Mitte". Gemeinsam mit dem Regisseur und ihrem Lebensgefährten Kai Voges baute sie die Neue Bühne Krefeld auf und war dort als "Nico", Sängerin von "Velvet Underground" zu sehen. Ein weiteres Gastspiel in dem Stück "Krieg" erwies sich schließlich als richtungsweisend.

Seit 2006 ist Xenia Snagowski Ensemblemitglied am Theater Bonn, lebt in Oberkassel: "Da ist es so schön grün und ruhig." Nur Xenia Snagowski ist nicht so oft da. Zumindest nicht seit dem Beginn der Proben an der "Medea".

Zuviel möchte sie zwar so kurz vor der Premiere noch nicht verraten. Nur dass das Stück etwas zeigt, was es auch heute gibt: Verbrechen aus Leidenschaft, Familientragödien.

Auch wenn das Stück 431 v. Chr. entstand, hat der Stoff für die Darstellerin der Rachsüchtigen per se, die ihre eigenen Kinder mordet, um deren Vater an dessen wundesten Punkt zu treffen, etwas Zeitloses. "Wie kann aus Liebe solcher Hass entstehen - diese Frage fasziniert mich!"

Für die Premiere am Freitag, 19.30 Uhr, in den Godesberger Kammerspielen gibt es noch Restkarten: (02 28) 77 80 22, 77 80 33

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