Ihr Hauptinstrument ist ein Computer

Das Künstlerdorf Schöppingen schlägt mit der Vergabe eines Musikstipendiums neue Töne an - Gebürtige Bonnerin komponiert auf dem Computer

Ihr Hauptinstrument ist ein Computer
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Schöppingen. (dpa) Im nordrhein-westfälischen Künstlerdorf Schöppingen werden neue Töne angeschlagen. Das hat es in der über zehnjährigen Geschichte der Kreativschmiede noch nicht gegeben: Unter den Stipendiaten - traditionell Autoren und Bildende Künstler - ist erstmals eine Komponistin. Die 35-jährige Kölnerin Dorothee Hahne. "Mindestens drei Mal in Folge sollen demnächst Stipendien auf der Musikschiene vergeben werden," berichtet Künstlerdorf-Sprecher Heinz Kock. "Wenn sich die Arbeit bewährt, soll zumindest eine solche Stelle zur festen Einrichtung werden."

Bezahlt wird die Musik von der NRW-Stiftung "Kunst und Kultur". Damit erfüllt sich ein lang gehegter Wunsch von Stiftungsmatriarchin Christina Rau. Schon vor Jahren hatte Deutschlands First Lady die Idee umgetrieben, die Musik zur dritten Säule des Künstlerdorfs zu erheben, und zwar Experimentelle Musik.

Die Stipendiatin Dorothee Hahne passt da schon äußerlich gut ins Bild: Ihr Hauptinstrument ist ein Computer. Die rheinische Notensetzerin selbst lokalisiert ihre Arbeit "auf einem Zwischenfeld zwischen Neuer Musik, Akustischer Kunst und Komposition". Typisch hierfür ist "commentari", das allein in der zweiten Augusthälfte zwei Mal aufgeführt wird, in Düsseldorf und Much. Gespielt werden Kompositionen für Blockflöten und Didgeridoo, "einem australischen Holzblasinstrument, einer Art Urtrompete", wie die Klangregisseurin beschreibt.

"Das fünfteilige Projekt spannt den Bogen von einer Heiligenlegende des ersten Jahrtausends, über deren Vertonung durch Hildegard von Bingen Anfang des zweiten Jahrtausends zur Musik unserer Zeit." Einbezogen werden elektronische Musikinstrumente, die archaischen Klänge der Didgeridoos und der Blockflöte sowie klassische und zeitgenössische Spielweisen.

Spezialität der gebürtigen Bonnerin, die an verschiedenen Musikhochschulen Trompete studierte, sind "Kompositionen für Räume mit extremer Akustik". 1999 war sie in Köln mit einem "Stück für die Sinne" und seinen Internet nahen Titel "àhomo" aufgefallen. Bei der "polymedialen Raummusik", deren Produktion vom Land und anderen Sponsoren ermöglicht worden war, handelt es sich laut Hahne um ein Opus für Stimme, Streichquartett und "elektronisch bearbeitete Geräusche, die Menschen ganz normal in Kirchen verursachen". Über 15 Lautsprechergruppen werden elektronische Anteile der Komposition in das Live-Konzert eingespielt.

"Geplant, aber noch in der Schwebe", sind Kirchenkonzerte der Gründerin des "Renitent-Quartetts" in Schöppingen und in Münster. "In jedem Fall wird es bald eine Aufführung im Künstlerdorf selbst geben." Den Dichtern und Malern, ihren Mitstipendiaten in Schöppingen, fühlte sich Dorothee Hahne von Anfang an verbunden: In zahlreichen Museen, Galerien und Kunstvereinen hat sie in den letzten Jahren Konzerte gegeben. Außerdem vertonte sie lyrische Gedichte und schrieb Filmmusiken.

Im Künstlerdorf führten die vielen Gemeinsamkeiten mit anderen Künstlern prompt zu einer spontanen Idee: "Mit dem Literaten Matthias Göritz aus Hamburg und der Schweizer Videokünstlerin Simone Zaugg realisiere ich zur Zeit ein Projekt für NRW. Wir wollen Regionalflughäfen wie Münster/Osnabrück und Paderborn in Kunsträume zu verwandeln," schildert die Komponistin. Premiere sei voraussichtlich im Spätherbst 2002.

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