"Ihr seid noch nicht aus dem Häuschen?"

Konzert-Marathon auf dem Bonner Museumsplatz mit Tomte, Kettcar und anderen Bands des Hamburger Plattenlabels mit dem hochtrabenden Namen Grand Hotel van Cleef - Nirgends kann man so schön mitküssen wie in "Balu"

"Ihr seid noch nicht aus dem Häuschen?"
Foto: Promo

Bonn. Klein anfangen und dann ganz groß rauskommen. Das dachte sich auch das Hamburger Plattenlabel mit dem hochtrabenden Namen Grand Hotel van Cleef und veranstaltete mit seinen Künstlern ein feines Festivalwochenende.

Nach Hannover und Trier waren die Tore des Hotels zuletzt in Bonn geöffnet. "Hey, das war doch gar nicht so schlecht", meinte Tomte-Kopf Thees Uhlmann am Ende eines rauschenden Abends. "Wir sind 'ne idiotische Plattenfirma, und ihr seid alle hier."

Mit diesem Riesenerfolg hatte der stets leicht verschlafen aussehende Sänger nicht gerechnet, vor allem, weil die Firmengründung im Jahr 2002 eher eine Verzweiflungstat war. Niemand wollte die ersten Ergüsse der Bands, die inzwischen zum besten alternativen Gitarrenpop Deutschlands gehören, herausbringen, und daher nahmen es die Jungs aus Hamburg eben selbst in die Hand.

Die Label-Einsteiger "Home Of The Lame" mit Felix Gebhard und seinen Freunden aus dem schwedischen Malmö sowie "Pale" mit ihrem Beat-Manifest auf dem neuen Album "Brother.Sister.Bores!", das am 1. September erscheinen wird, spielten am Nachmittag und stimmten das Festivalpublikum auf dem Museumsplatz musikalisch ein.

Von Thees Uhlmann mit reichlich Vorschusslorbeeren bedacht, legten die fünf gar nicht blassen Musiker aus Aachen beim Disco-Kracher "You Wanna Be So Good" mächtig los. Irgendwie hat jeder im Grand-Hotel-Klüngel mit jedem zu tun:

Home-of-the-Lame-Gebhard ist gleichzeitig Bassist der Hansen Band, Multitalent Max Schröder ist bei Tomte und Olli Schulz dabei, in "48 Stunden" steht Front-(Uhl-)Mann bei Kettcar als Gast am Mikro und so weiter. Folgerichtig sagten sie sich auch gegenseitig an: "Musik hatte noch nie was mit Gehirn zu tun", philosophierte Thees Uhlmann.

"Schaut euch Olli Schulz an." Die Lacher hatte er auf seiner Seite, vor allem weil er mit der nötigen Portion Selbstironie zur Sache ging. Der Opener von Olli Schulz, der es "mit jedem Schwachsinn aufnimmt, den dieser Planet zu bieten hat", war wieder mal passend: "Die Ankunft der Marsianer".

Seine unvergleichliche Heavy-Metal-Parodie durfte natürlich auch nicht fehlen; und zwei neue Songs ("Du hast da was" und "Das Leben beißt"), die er mit Moses Schneider, dem Beatsteaks-Produzenten, aufgenommen hatte: "Endlich mal ein Statement zu dem ganzen Deutschland-Wahn um uns herum." The Weakerthans waren am frühen Festivalabend die Dritten im Bunde. Etwas brav, aber dafür ehrlich.

Bis "Plea From A Cat Named Virtute" von ihrer Scheibe "Reconstruction Site" erhöhten sie mit jedem Stück die Schlagzahl der Beats. "Ihr seid noch nicht aus dem Häuschen? Aber ihr werdet es gleich sein", meinte Sänger und Gitarrist John K. Samson locker, bevor zum Chor in "Manifest" alle Akteure des Tages auf die Bühne stürzten.

Kettcar spielte sich dann vollends in die Herzen, und beim vielfach besungenen Abstecher zu den Hamburger Landungsbrücken wippte und schaukelte die Menge wie auf einer Elb-Barkasse. Um zu tiefes Eintauchen in den warm-weichen Kettcar-Sound ("Im Taxi weinen") zu verhindern, setzte die Band mit "Ausgetrunken" schnell noch einen Halli-Galli-Song drauf.

"Ich fühl mich wie auf einer Klassenreise von über 30-Jährigen. Schön ist das mit euch, aber irgendwie auch erbärmlich", quatschte Bassist Reimer Bustroff dazwischen. Nirgends kann man so schön mitküssen wie in "Balu"; gefolgt von "den schönsten Songs, die man hören kann". So lautete die Ankündigung von Tomte, in Anlehnung an das Schlussstück "Geigen in Wonderful World" auf der aktuellen Platte.

Uhlmann zog die Wörter wie gewohnt kaugummilang und fühlte sich an der Rampe sichtbar wohl: "Wär ich mein Kind, ich würde mich weggeben." Nicht immer konnte man ihm intellektuell folgen, doch mit seiner unverkrampften Art, die "melancholischen Unverständnisse der Welt" auszudrücken, überzeugte er schließlich die Zweifler. Kettcar-Sänger und -Texter Marcus Wiebusch raunte dann noch ins Mikrofon:

"Wir werden das im nächsten Jahr bestimmt wieder machen; vielleicht in Bonn, vielleicht auch nicht." Viele Fans, lässig und jung, fühlten sich angesprochen, und sie werden sicher - egal, wo - wieder dabei sein. Sieben Stunden, davon fünf mit angesagter Livemusik - da kann man nicht meckern.

Und als Bonbon haben sich die Grand-Hotel-Betreiber noch was ganz Besonderes ausgedacht: Auf der Homepage gibt's in den nächsten Tagen für knapp zehn Euro 24 Songs der drei Konzerte zum legalen Download: www.ghvc.de

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