Im Bonner Schauspiel ziehen die Cowboys ein

Das Gastspiel der New York City Players im Alten Malersaal des Bonner Schauspiels eröffnet ein kleines Festival zur "Szene New York". Und der Auftakt zielt hoch über die Trapper-Hutschnur.

Im Bonner Schauspiel ziehen die Cowboys ein
Foto: Thilo Beu

Bonn. Der Western-Cowboy à la John Wayne redet bekanntlich nicht gern, presst allenfalls ein paar Einzeiler zwischen mahlenden Kieferknochen hindurch. Bei der von Richard Maxwells geschriebenen, komponierten und inszenierten "Ode to the Man who kneels" (Ode an den knienden Mann) ist das anders.

Da richtet der "stehende Mann" seine imaginäre Pistole auf den Kopf des knienden Manns (Greg Mehrten). Und der sagt nicht einfach verächtlich "Drück schon ab", sondern beginnt einen Sermon über das vergeudete Leben, über Gelegenheiten, denen man bloß beim Schwinden zusah, statt sie am Schopf zu packen. Und über Träume, die von der Realität gefressen werden.

Das Gastspiel der New York City Players im Alten Malersaal des Bonner Schauspiels eröffnet ein kleines Festival zur "Szene New York". Und der Auftakt zielt hoch über die Trapper-Hutschnur. John Ford trifft Bert Brecht und manchmal auch Samuel Beckett.

Die Akteure sprechen die Regieanweisungen, vom fatalen Flug der Kugel wird in jeder Phase berichtet - und der zuvor kniende singt auch als eigentlich lebloser Mann kräftig mit: "We don't become older".

Maxwell selbst und Mitmusiker Mike Iveson untermalen die zahlreichen Musical-Momente mit Gitarre und Orgel. Präriestaub, Saloon-Schlägereien und Showdowns auf der Hauptstraße braucht dieses Stück nicht. Ein aus dem Parkett bewegter Scheinwerfer bannt die Silhouetten der Figuren als Schattenrisse auf die Leinwand, ein Tribut an die Schwarz-Weiß-Anfänge dieser uramerikanischen Filmgattung.

Doch die Western-Stereotypen fallen hier in die Tiefkühltruhe des Konzepttheaters und schillern beim Auftauen in seltsamsten Farben. Setzten Ford, Howard Hawks und Anthony Mann auf Dynamik, so friert Maxwell die Dramaturgie der Pferdeoper in starren Posen ein: Der "stehende Mann" (Jim Fletcher) als Minnesänger vor der "wartenden Frau" (Anna Kohler), die er dem "gut aussehenden Mann" (Brian Mendes) natürlich nur gewaltsam wegnehmen kann.

Eine Leiche mehr, aber kein neues Glück für die Lebenden. Denn bald kommt die junge Schönheit Juny (Anastasia Gubareva) in die Stadt - neue Beute für den "stehenden Mann". Maxwell reißt klassische Western-Konflikte kurz an, um den Fantasievorrat seines Publikums zu mobilisieren - und um die Stereotypen in seinen Texten weit hinter sich zu lassen.

Da geht es um Albino-Fische, die in unterirdischen Teichen schwimmen, um Betten im Ozean und die Leere des Himmels. Der Cowboy mutiert zum Existenzphilosophen. Manchmal wirkt das Ganze wie prätentiöses Aufsagetheater, in den besten Passagen aber entwickelt diese bizarre Mixtur aus Genre-Trümmern und dunkler Poesie einen geheimnisvollen Sog.

Und wenn nach 70 Minuten die Geister der Toten als apokalyptische Reiter auch die junge Juny mitnehmen, ist alles gesagt. Einhelliger Beifall.

Weitere Aufführungen: 2. u. 4.2., 19.30 Uhr, 5.2., 18 Uhr, 6.2., 16 Uhr. Karten-Tel.: (02 28) 77 80 08 oder (02 28) 77 80 22.

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