Im Paradies der jungen Maler

Die Sammlung Bunte ist mit Werken von Stenner, Baumeister, Itten und Schlemmer zu Gast im August Macke Haus

Im Paradies der jungen Maler
Foto: Franz Fischer

Bonn. Die Sammlung Bunte ist ein beredtes Beispiel dafür, wie aus dem Interesse an einem Maler systematische Auseinandersetzung und sogar Sammelleidenschaft erwachsen können. Die Begegnung des Rechtsgelehrten Hermann-Josef Bunte mit dem gänzlich unbekannten Bielefelder Maler Hermann Stenner hat nämlich immer weitere Kreise nach sich gezogen.

Sie berührten dessen westfälisches Umfeld, die süddeutsche Dachauer Schule, die Stuttgarter Kunstakademie und dort schließlich die legendäre Hölzel-Schule. Seitdem dieser Funke in den 1970er Jahren zündete, hat Hermann-Josef Bunte rund 400 Werke von 40 Künstlern erworben - darunter allein 200 Arbeiten von Hermann Stenner -, von denen jetzt 60 als "Positionen der Klassischen Moderne" im August Macke Haus gezeigt werden.

Diese Auswahl konzentriert sich auf das zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts und damit auf eine Epoche des Aufbruchs. Wie bei August Macke kommt bei Hermann Stenner die freilich müßige Frage auf, wie sich seine Begabung noch hätte entfalten können. Denn auch er wurde - allerdings erst 23-jährig, also noch jünger als Macke - Opfer des Ersten Weltkrieges.

In seinen wenigen Schaffensjahren gelangen dem blutjungen Maler enorme Entwicklungssprünge, wenn man etwa die "Landschaft mit Kohlfeld" von 1909 mit den zwei Jahre danach geschaffenen Gemälden "Garten mit Fahne" und "Kaffeegarten am Ammersee" vergleicht. In ihnen zeigt sich eine ganz eigenständige Aneignung des farbfrohen deutschen Impressionismus.

Dass Hermann Stenner dann auch noch die expressionistische Verfremdung der Lokalfarben vollzog, lässt sich insbesondere der "Grünen Frau mit gelbem Hut" ablesen. Die gleichzeitige Hinwendung zu sakralen Themen und die Wahl düsterer Farben für "Das schwarze Kreuz" geben in diesem ?uvre, das zu erforschen sich gewiss lohnt, Rätsel auf.

Als frühe Begabung lässt sich auch Victor Tuxhorn, Stenners Mitschüler an der Bielefelder Kunstgewerbeschule, einstufen. Nicht einmal 20 Jahre alt war er, als er 1911 in souveränem Pinselstrich die "Vier Frauen auf der Wiese" malte. 1914 prägten kühne Farbwirbel die "Landschaft mit Bäumen".

Da Tuxhorm ein so viel längeres Leben bis 1964 vergönnt war, kann man seine Laufbahn, die später noch verschiedene Stilstufen des Expressionismus berühren sollte, weiter verfolgen. Als einer der Meisterschüler geriet Hermann Stenner in den Stuttgarter "Hölzel-Kreis", zu dem keine Geringeren als Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Johannes Itten gehörten.

Zwar ermunterte der Akademielehrer seine Schüler, nicht zu "hölzeln", sich also zu emanzipieren; in jenen frühen Jahren aber konnten sie seinem prägenden Einfluss nur schwer entgehen. Er zeigt sich wie in der "Anbetung" von 1912 in markanten, häufig von Diagonalen bestimmten Bildstrukturen einerseits, wie man sie auch bei Stenner findet, und in dunklen, die Figuren fast rahmenden Konturen andererseits.

Baumeisters "Selbstporträt im Atelier" beispielsweise lässt den späteren Maler der über die Leinwand schwebenden Farbformen noch so gar nicht erahnen. In seiner "Frau im blauen Kleid" bahnt sich sein Stil dann zaghaft an. Während Schlemmers "Stuttgarter Kirche in Weinbergen" von 1912/13 noch auf Hölzels Bildstruktur in einer kubistischen Variante beruht, verrät Johannes Itten 1914 in seiner "Sitzenden mit Hut" die Vorbildlichkeit von Cézanne.

Offensichtlich stand ihm das "Bildnis Madame Cézanne au chapeau vert" vor Augen; Itten selbst hatte 1913 notiert: "Das Wertvollste für mich waren die Analysen von Bildern Cézannes."

Es war dann der Hölzel-Schüler William Straube, der die Aufmerksamkeit des Sammlers Bunte auf die Rheinischen Expressionisten und auf die Académie Matisse in Paris lenkte. Diese private Lehranstalt, die Matisse 1908 gemeinsam mit dem Maler Oskar Moll gegründet hatte, bot ausländischen Künstlern - und Künstlerinnen - fachkundigen Unterricht auch außerhalb der offiziellen Akademien.

Einer der Schicksalsgenossen jenes Hermann Stenner war der junge Wilhelm Morgner. Auch er konnte, da er 1917 im Alter von 26 Jahren in Flandern fiel, seine Begabung nicht ausleben. Das 1913 gemalte Bild "Im Paradies" zeigt ihn bereits als mutigen Koloristen mit eigenwillig heftigen Pinselschüben. Wie seine jungen Malerkollegen und die "Entdeckung" Stenner leistet er einen individuellen Beitrag zu den "Positionen der Klassischen Moderne" in der beachtlichen Sammlung Bunte.

August Macke Haus, Bornheimer Straße 96; bis 17. Mai. Di-Fr 14.30-18, Sa, So 11-17 Uhr. Katalog Sammlung Bunte 35 Euro.

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