Beethovenfest: Beethoven Orchester trifft Cameron Carpenter Im Rausch der Klänge

Bonn · Das Bonner Orchester und sein Chef Dirk Kaftan melden sich mit riesiger Besetzung eindrucksvoll zurück. Gespielt haben sie Musik von Carpenter, Franz Liszt und Alexander Skrjabin

Der US-amerikanische Organist Cameron Carpenter.

Foto: Barbara Frommann

So ganz verschwunden war das Beethoven Orchester während der Corona-Monate nie. Neben einem  gestreamten Beethoven-Zyklus gab es aber nur wenige Live-Auftritte unter besonderer Berücksichtigung strenger Hygiene-Vorschriften. Nach diesen Monaten der Entbehrung für Musiker wie Publikum gingen einem schon die Augen über, noch bevor ein Ton das Ohr erreichte. Denn das Bonner Orchester war für seinen Gastauftritt beim Beethovenfest im WCCB mit einer üppigen Besetzungsstärke angetreten, die noch vor wenigen Wochen als Utopie erschienen wäre. Welch ein Anblick!

Das Programm besaß durchaus einen politischen Anstrich. Den Anfang machte der US-amerikanische Organist Cameron Carpenter als Solist in seinem 2011 in der Kölner Philharmonie uraufgeführten Orgelkonzert „The Scandal“ op.3, eine Musik, die das Entstehen von Gerüchten und Skandalen vor allem im politischen Raum beschreibt, ohne selbst skandalös zu sein. Im Gegenteil: Carpenters virtuoses Werk für Orgel und großes Orchester erinnert über weite Strecken mehr an Broadway als an solche Werke der Musikgeschichte, die einmal große Eklats verursacht haben. Der in Berlin lebende Musiker hat sich den Solopart in die virtuosen Finger und flinken Füße geschrieben, lässt aber auch das Orchester immer wieder in schönsten Soli zu Wort kommen. Geige und Fagott etwa, oder auch das Violoncello. Dann wieder ist es ein Aufeinandertreffen von massiven Klängen des Riesenorchesters und der (elek­tronischen) Pfeifenorgel.

Brillante Darbietung von Franz Liszts „Les Préludes“

Franz Liszts Symphonische Dichtung „Les Préludes“ wurde freilich erst durch ihre posthume Verwertung zum Politikum, als die Nazis einen Ausschnitt daraus als Erkennungsmelodie für den Wehrmachtbericht im Rundfunk und in den Wochenschauen missbrauchten. Ein Vorgang, der die Rezeption des Werks bis heute beschädigt. Im Konzert aber zeigte die brillante Darbietung unter Leitung von Generalmusikdirektor Dirk Kaftan den ganzen Reichtum der Musik, den Ernst und die Tiefe. Und die Schönheit etwa im Allegretto pastorale.

In Alexander Skrjabins „Promethée – Le poème du feu“ liegt schon in der Verwendung des Sujets eine politsche Botschaft. Die Musik, die Kaftan vor der Aufführung mit einigen Live-Beispielen erläuterte, handelt von dem Mythos des antiken Titanen Prometheus, der den Menschen gegen den Willen der Götter das Feuer und damit die Freiheit bringt – und dafür von Zeus hart bestraft wird. Skrjabins Musik ist freilich keine musikalische Nacherzählung des Mythos, sondern schafft wie Prometheus eine neue Wirklichkeit. Sein Feuer ist der „mystische Akkord“, aus dem Skrjabin eine üppige Farbpalette von Klängen kreiert. Das Orchester zelebrierte sie phasenweise wie im Rausch. und auch Pauli Jämsä am Soloklavier entfachte glühende Klänge.

Nach dem begeisterten Beifall, spielten sie mit Richard Wagners Vorspiel zum dritten Akt des „Lohengrin“ noch eine schwungvolle Zugabe, die sie der scheidenden Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner als Dank für eine inspirierende gemeinsame Zeit widmeten.