Kölner Palladium Ingo Kerkhof inszeniert Georg Friedrich Händels Oper "Alcina"

KÖLN · Ein Zauberreich stellt man sich anders vor. Im ohnehin eher nüchternen Ambiente des Kölner Palladiums, wo Georg Friedrich Händels Oper "Alcina" als letzte Opernpremiere der Saison in einer Inszenierung von Ingo Kerkhof gegeben wurde, herrscht triste Düsternis, lange bevor die paradiesisch blühende Insel der Zauberin Alcina untergegangen sein wird.

 Liebeszauber: Alcina (Claudia Rohrbach) und Ruggiero (Franziska Gottwald).

Liebeszauber: Alcina (Claudia Rohrbach) und Ruggiero (Franziska Gottwald).

Foto: Klaus Lefebvre

Die Bühne nimmt vorweg, dass es sich bei dem vermeintlichen Paradies um Trug handelt. Denn die Tiere und Pflanzen sind Opfer Alcinas, alles Männer, die sie nach gestilltem erotischen Verlangen per Zauberspruch verwandelt und entsorgt hatte.

Händels Genie besteht nun darin, die Zauberin nicht als Verkörperung des Bösen zu zeichnen, sondern ihr durch die Musik eine Seele zu verleihen, eine wandelbare sogar, die in der Lage ist, so etwas wie Liebe zu fühlen. Ihr Herz hat sie an ihrem aktuellen Liebhaber Ruggiero verloren.

Auf der Bühne erlebt man also weniger Alcinas Seite als männermordende Femme fatale, vielmehr ist hier eine Frau gegenwärtig, die Abschied nehmen muss; von ihrer Macht, von ihrem Geliebten (der von seiner als Krieger verkleideten Braut Bradamante befreit wird) und von ihrem Zauberreich. Händels Alcina ist eine melancholische Figur.

Dass diese tiefere Form der Magie in Köln spürbar wird, ist am Ende aber weniger Regisseur Kerkhof und seiner Bühnenbildnerin Anne Neuser geschuldet, als einer großartigen Claudia Rohrbach in der Titelrolle. Die Sopranistin lebt diese Figur - meist im kleinen schwarzen - darstellerisch und vor allem musikalisch.

Sie ist als der vor Eifersucht bebende Racheengel ebenso glaubhaft die zärtlich liebende und die vor Trauer sich verzehrende Frau. Wenn sie etwa am Ende des zweiten Aktes von den "bleichen Schatten" singt, ist es weniger das Schattenspiel an der Wand, das fesselt, als vielmehr ihre eindringliche, ganzheitliche Gestaltung der Szene. Kerkhof, der seine vier Jahre alte Inszenierung aus Uwe Eric Laufenbergs alter Wirkungsstätte Potsdam nun in Köln-Mühlheim wiederbelebt, hingegen gelingt es in seiner rational-psychologischen Deutung nur bedingt darüber hinaus packendes Theater auf die Bühne zu bringen.

Die sieben Menschen der Geschichte interagieren nicht überzeugend genug miteinander auf der Bühne. Die besten Szenen sind die Arien, von denen Händel glücklicherweise ein Füllhorn über sein für London geschriebenes Werk ergossen hat, darunter Ruggieros berühmte Arie "Verdi prati", der Franziska Gottwald (in einer Hosenrolle) mit ihrer schönen Mezzosopranstimme eine wundervoll lyrische Note verlieh. Dass er sich schließlich wieder Bradamante zuwendet (die bereits im Brautkleid durch die Szene schreitet), ist am Ende wenig nachvollziehbar - übrigens auch für den Regisseur nicht, der ihn dem Bühnentod anheim gibt.

Katrin Wundsam stattet die Bradamante übrigens musikalische mit stilsicher geführtem Mezzosopran aus. Die Figuren der Morgana und des Oronte sind mit Anna Palimina und John Heuzenroeder luxuriös besetzt, Adriana Bastidas Gamboa gibt dem Oberto nicht zuletzt durch dramatische Zuspitzungen viel Ausdruck mit auf den Weg. Auch der Tenor Wolf Matthias Friedrich macht seine Sache als Melisso sehr gut.

Am Pult des um ein stimmiges barockes Klangbild bemühten Gürzenich-Orchesters stand Peter Neuman, der viel Erfahrung mit Händel, wenn auch wenig mit Oper hat. Er löste seine Aufgabe mit einer soliden Arbeit. Viel Beifall vom Premierenpublikum.

Weitere Termine: 20., 22., 27., 29. Juni, 3., 5. und 7. Juli. Karten in den Bonnticket-Shops in den GA-Zweigstellen oder bei bonnticket.de

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