Michael Gordons "No Anthem" beim Festival "Acht Brücken" Ingo Metzmacher führt keine Hymne auf

KÖLN · Ingo Metzmacher führt mit dem Ensemble Modern beim Köln Festival "Acht Brücken" Michael Gordons "No Anthem" auf. Eine Premiere.

 Er genießt die Musik: Ingo Metzmacher bei den Proben in der Philharmonie.

Er genießt die Musik: Ingo Metzmacher bei den Proben in der Philharmonie.

Foto: Brill

Nun stand war er wieder da, wo alles angefangen hatte. 35 Jahre ist es her, da spielte Ingo Metzmacher Klavier beim Ensemble Modern, das als erstes deutsches Spezialensemble für zeitgenössische Musik gerade aus der Taufe gehoben war. Auf dem Klavierhocker sitzen längst andere. Metzmacher kam zurück als Dirigent.

Zwischenzeitlich war an der Spitze der Hamburger Staatsoper und des DSO Berlin, er dirigiert in London, Salzburg und Mailand, Repertoire des 20. Jahrhunderts vor allem und immer wieder auch brandaktuelles. Im Auftrag von "Acht Brücken" hatte Michael Gordon fürs Gastspiel von Metzmacher und dem Ensemble Modern Orchestra eine Hymne geschrieben, die keine sein will.

Werke mit Kultstatus

"No Anthem" nennt der New Yorker das rund zwanzigminütige Stück, bei dem Instrumentalisten und Sänger im fast geschlossenen Kreis um den Dirigenten sitzen und ein schier endloses Band weben aus überlappenden Klanggruppen, die an- und abschwellen, als würden sie atmen. Die gefällige, aber auch recht unverbindliche Premiere rahmten Metzmacher und seine Kollegen mit zwei Werken von Louis Andriessen, die regelrechten Kultstatus haben.

In ihrer Haltung sind sie, wie übrigens ja auch Gordon, Kinder des amerikanischen Minimalismus. Auffälligstes Merkmal: pro Stück wird genau eine Idee investiert - und die dann ohne Schnörkel von A bis Z durchkonjugiert. Bei "De Snelheid" geht es um Geschwindigkeit, um Tempo, um ein ureigene Kategorie der Musik also. Das Ensemble drückt sich mit immer lauter werdenden Attacken durch ein sich verdichtendes Raster aus Schlagimpulsen und läuft am Ende Amok.

Eingriff in die Gesellschaft

Was Andriessen hier hochwirksam in Anschlag bringt, hatte er ein Jahrzehnt zuvor, 1976, in seinem Hauptwerk "De Staat" entwickelt. Da geht's um Platon und die Frage, ob und wie Musik eingreift in die Gesellschaft. Platon wollte sie in staatlichen Gewahrsam nehmen, er misstraute sogar einzelnen Tonarten.

Schön wär's, wenn Musik wirklich soviel Macht hätte, seufzt da Andriessen. Oder besser: schreit. Denn auch der "Staat" kommt ausgesprochen breitschultrig daher, haut auf den Tisch, statt zu argumentieren. Das Ensemble Modern Orchestra schöpfte unter Metzmacher aus dem Vollen, klang prall, wuchtig und scharf wie eine Big Band. Jubel von den Rängen. Leise war an diesem Abend nur das Pfeifen in den Ohren.

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