Vor seinem ersten Beethovenfest Intendant Steven Walter will experimentieren und neue Formate wagen

Bonn · Steven Walter startet beim Beethovenfest mit einem ehrgeizige Programm und scheut auch unkonventionelle Wege nicht. Nun hofft er auf steigende Zahlen beim Kartenverkauf.

Das Viktoriabad ist das Zentrum des Beethovenfestes. Dessen Intendant Steven Walter trieb es fürs Foto etwas höher hinaus.

Das Viktoriabad ist das Zentrum des Beethovenfestes. Dessen Intendant Steven Walter trieb es fürs Foto etwas höher hinaus.

Foto: sophia hegewald

Mit dem Dreiklang aus Prolog im Münster am Donnerstag, Eröffnungskonzert am Freitag in der Oper und „Bühne frei für Beethoven“ am Samstag im ganzen Stadtzentrum nimmt das Beethovenfest an diesem Wochenende Fahrt auf. Inhaltlich wird es sich von den Festivals, wie sie Bonn bislang kannte, deutlich unterscheiden. Der neue Intendant Steven Walter gibt sich experimentierfreudig im Ausprobieren neuer Formate, Spielstätten und Programme. Das wurde am Freitagmittag noch einmal sehr deutlich, als er kurz vor dem Start im kultigen Café Blau, das dem als Festival-Zentrum reaktivierten Viktoriabad angegliedert ist, noch einmal einen Überblick über die rund 100 Konzerte und Veranstaltungen der kommenden drei Wochen gab.

Motto „Alle Menschen“ in Anlehnung an die Neunte

Leitfaden für seine erste Ausgabe ist das Motto „Alle Menschen“, das sich aus Beethovens neunter Sinfonie ableitet und laut Walter für Beethovens „humanistischen, weltumarmenden, völkerverständigenden Impetus“ steht, den er für die heutige Zeit um Vorzeichen wie Diversität, Vielfalt an Erlebnisformen und Ausdrucksmitteln erweitert sehen möchte. „Das versuchen wir abzubilden mit einem Programm, das auf große Vielfalt setzt“, sagte Walter.

Das Spektrum reicht da vom großen Sinfoniekonzert im Opernhaus über Tanztheater im Viktoriabad bis zum einem Konzert in völliger Dunkelheit in der Brotfabrik und zur queeren Party. „Mir ist wichtig, dass es nicht nur ein einmaliges Feuerwerk wird“, sagte er. „Kulturentwicklungen brauchen Diversitätsstrategien, die langfristig verfolgt werden.“

Die Publikumsresonanz auf das innovative Konzept des Beethovenfests fällt allerdings noch nicht so stark aus, wie man sich das beim Beethovenfest wünscht. Etliche Konzerte und Veranstaltungen sind mäßig bis schwach ausgelastet. Jedoch habe der Vorverkauf in den vergangenen Tagen drastisch angezogen, sagte Beethovenfest-Geschäftsführer Michael Gassmann. „Wir erleben seit etwa einer Woche eine Steigerung des täglichen Vorverkaufs um 100 bis 200 Prozent.“

Karten werden kurzfristig gekauft

Für die Zurückhaltung beim Kartenvorverkauf macht Gassmann mehrere Gründe aus. Auf Anfrage hatte er bereits vor der Pressekonferenz einige genannt. „Offenbar gilt für uns, was man auch von anderen Festivals gilt: dass in diesem Jahr besonders kurzfristig gekauft wird.“ Die Leute wollen sicher sein, dass die Konzerte stattfinden, sie haben durch die Corona-Krise ein Misstrauen gegenüber großen Menschenmengen in geschlossenen Räumen entwickelt. Hinzu kämen Inflation und Energiekrise.

Dass sich das Beethovenfest dazu entschlossen hat, sich von BonnTicket und KölnTicket zu trennen und den Kartenvertrieb in die eigene Hand zu nehmen und vorerst ausschließlich über die eigene Webseite und telefonisch abzuwickeln, sieht er in der Ursachenliste nicht an oberster Stelle. Im Gegenteil. Man verspricht sich davon durchaus einige Vorteile nicht nur finanzieller Art. Gassmann: „Wir erhalten nicht nur die Ticketeinnahmen, sondern auch alle Informationen über unsere Kunden ohne Umwege und Einschränkungen. Das Ticketsystem erlaubt uns umfangreiche Analysen und maßgeschneiderte Kampagnen, da es ein komplettes Customer Relationship Management (CRM) umfasst.“ Mittelfristig biete das System alle Möglichkeiten eines zeitgemäßen Marketings.

Kinderkrankheiten beim eigenen Ticketsystem

Gleichwohl will man bei einigen „Kinderkrankheiten“ des Systems Abhilfe schaffen. So sind die Karten derzeit nicht als Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr zu verwenden. Da arbeite man für das kommende Jahr an einer Lösung, versprach Gassmann. Aber auch eine feste Anlaufstelle zum Kauf von Tickets, wie sie bislang etwa mit der Theaterkasse in der Bonner City zur Verfügung stand, will man künftig einrichten. Gassmann rechnet damit, im nächsten Jahr an wenigen ausgewählten Orten mit stationärem Vorverkauf präsent zu sein. „Das werden wir im Herbst entscheiden.“

Darüber hinaus präsentierte das Beethovenfest am Freitag zwei nagelneue, mit Elektronik vollgestopfte Marketing- und Kommunikationsvehikel: ein Bee-Mobil, das aussieht wie eines dieser vielen Espresso-Wagen, nur dass beim hochklappen der Seitenteile große Bildschirme erscheinen, die interaktiv genutzt werden können. Zum Beispiel zur Programmpräsentation. Daneben stand das Bee-Bike, ein Lastenfahrrad, dessen Aufsatz ein Übertragungsstudio für Live-Streams enthält. Was die Inhalte angeht, wird man künftig auf der Webseite des Beethovenfests oder dem hauseigenen Youtube-Kanal fündig werden. Beide eigens fürs Beethovenfest entwickelten Fahrzeuge wurden laut Walter über das Bundesprogramm „Neustart Kultur“ finanziert.

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