"Brücken in Remagen" Interkulturelles Theaterprojekt zeigt wahre Geschichten

REMAGEN · Gespannte Stille herrscht bei der ersten Szene von "Brücken in Remagen" im Foyer der Remagener Rheinhalle.

 Geschichten von Flucht und Freiheit auf der Bühne.

Geschichten von Flucht und Freiheit auf der Bühne.

Foto: Gausmann

Ein Mann sitzt auf einem Stuhl und erzählt seine Geschichte: Damals im Flugzeug, wie er Angst hat und heimlich seinen Pass zerreißt, weil er hört, was ihm als Ausländer am Zielort droht. Er berichtet, wie er beinahe buchstäblich aus Ost-Berlin hinaus und in den Westen hineingeworfen wird. In eine fremde Welt. "Wo bin ich? Noch in Deutschland? Wieso ist hier so viel Land?", fragt er etwas später, nachdem er erst in der DDR gelandet ist und dann aus der Metropole Berlin nach Ostfriesland kommt, wo er sich zuerst einen Garten anlegt.

Mittlerweile ist der damals 16-Jährige in Remagen daheim und Teil des interkulturelles Theaterprojekts, bei dem am Wochenende Menschen aus sechs Nationen wahre Geschichten von Flucht, Freiheit, Vorurteilen, aber auch gegenseitigem Verständnis auf die Bühne gebracht haben. Rund 35 Menschen im Alter von 14 bis 76 Jahren haben sich erstmals vor einem Jahr getroffen und ihre Lebensgeschichten eingebracht. 14 von ihnen machten den Schritt vors Publikum. Unter Leitung von Sibylle Drenker-Seredszus haben sie das Darstellen und das Improvisieren geübt, und die einzelnen Szenen in eine Reihenfolge gebracht, die durch Zwischensequenzen mit Touristen und Einheimischen auf der Rheinpromenade immer wieder auch zeigten, wie nah fern ist.

Auch innerhalb der Szenen gab es Beispiele für Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten zwischen Menschen von "woanders" und von "hier". Da erklärte ein Urlauber sein Unverständnis und seine Verwirrung über Bräuche in Italien oder saß eine deutsche Familie wegen mangelnder Sprachkenntnisse auf einmal im Zug nach Mailand statt nach Genf. Andererseits zeigte ein Szene beim Sozialamt aber auch, wie voreingenommen mancher auf Menschen mit Migrationshintergrund zugeht. Andere der elf Bilder warfen den Blick von Deutschland als Hoffnungsland. Da war eine Frau voller Aufbruchstimmung, endlich ein selbst bestimmtes Leben führen zu können. Eine andere wollte Armut und Elend entkommen, und ein junger Mann verabschiedete sich von seiner Mutter, weil er fliehen musste. Rezitationen literarischer Texte und Lesungen von Nachrichtentexten sowie Live-Instrumentalspiel verstärkten die emotionale Wirkung mancher Szene.

"Toleranz fördern und Kompetenz stärken" ist Anliegen des Projekts im Lokalen Aktionsplan in Remagen, das vom Familienministerium unterstützt und vom Förderverein der Grundschule Sankt Martin getragen wurde. "Wie wir miteinander umgehen und hinzusehen, wie die Welt des anderen eigentlich aussieht", war eines der Anliegen von Drenker-Seredszus. Ein anderes Bild von Deutschland hat das Theaterstück gezeichnet, und die Teilnehmer haben durch die Arbeit eine neue Geschichte geschrieben. Nach dem Finale, das für die Neugier auf andere Sprachen und Kulturen plädierte, und nach viel Applaus kamen sich Publikum und Akteure bei einer Party näher.

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