Internationaler Künstler aus Eitorf wird 70

Er wusste schon mit sechs Jahren, wer er ist. Nicht der Sohn des Weinbauern von Strongoli. Nein. "Ich bin Giovanni Vetere", hielt er stolz jedem entgegen. Stolz ist er immer noch - auf das, was aus dem Bauernjungen geworden ist: ein international anerkannter Künstler.

Internationaler Künstler aus Eitorf wird 70
Foto: Holger Arndt

Rhein-Sieg-Kreis. Er wusste schon mit sechs Jahren, wer er ist. Nicht der Sohn des Weinbauern von Strongoli. Nein. "Ich bin Giovanni Vetere", hielt er stolz jedem entgegen. Stolz ist er immer noch - auf das, was aus dem Bauernjungen aus dem süditalienischen Bergdorf geworden ist: ein international anerkannter Künstler. Der lebt inzwischen in Eitorf - und wird 70 Jahre alt.

"Die Kunst ist knapp 40 000 Jahre alt, dagegen sind 70 gar nichts", gibt Vetere sich bescheiden. Die Kunst ist indes alles für ihn. Das verrät ein Blick in die alte Zigarrenfabrik, die ihm Heim, Atelier und Galerie zugleich ist. Allein der barrierefreie Anbau, sein persönliches "Altenheim" ist ein Kunstobjekt - in seiner Form wie in seiner Ausstattung. Werke anderer Künstler hängen mit echten Veteres an der Wand, sind Teil der Bausubstanz oder in den Fußboden eingelassen. Nur der Weg zum Schlafzimmer gehöre allein ihm, betont Vetere:

AusstellungIn der Remise des Bilderbuchmuseums Burg Wissem hat Giovanni Vetere ab Sonntag, 5. Dezember, quasi ein Heimspiel. Dort hatte er eines seiner ersten Ateliers und dort ehrt die Stadt Troisdorf den Künstler mit einer Ausstellung zum 70. Geburtstag. Zur Eröffnung spricht ab 11 Uhr unter anderem Jürgen Busch, langähriger Wegbegleiter Veteres. Die Retrospektive gewährt bis zum 16. Januar Einblicke in rund 40 Jahre Schaffen. (otn)"Ich gehe mit meiner Kunst ins Bett." Die Sonne wirft den Schatten eines seiner ins Fensterglas geschliffenen Kopfmenschen an die Wand. "Ich war schon immer Künstler, habe es nur lange nicht gewusst", erklärt Vetere beim Gang durch sein Skulpturental. Hier auf dem weitläufigen, für jeden zugänglichen Gelände hinter seinem Domizil hat er seinen Traum realisiert. An den Ufern des Pfaffensief gehen Kunst und Natur eine kunstvolle Verbindung ein. Vetere hat seine und Skulpturen anderer Künstler im Tal verteilt, "Piazzi" (Plätze) und Sichtachsen angelegt und so einen Ort geschaffen, der zum Verweilen einlädt.

Giovanni Vetere verweilt hier gerne. Genießt von einer Bank aus den Ausblick. Neben ihm sitzt eine Skulptur, eine seiner "Köpfe" mit den großen zum Nachdenken animierenden Augen, die zu seinem Markenzeichen geworden sind. 1979 gab er ihnen in seinen ersten Fresken erstmals Form und seither sind sie untrennbar mit ihm verbunden. Auch der große Basalt, den Vetere gerade im Garten bearbeitet, trägt einen "Kopf". Kein Tag vergeht ohne Spiel mit dem "konservierten Feuer".

So nennt Giovanni Vetere den schweren Stein, den er mit einem Spezialmeißel formt. "Es gibt keine harten Steine, nur das falsche Werkzeug", erklärt er. Diesen Rat eines Künstlers habe er verinnerlicht. Wie so vieles. "Ich habe mein Leben lang von anderen Menschen gelernt." Das gepaart mit Leidenschaft, Philosophie und Ehrgeiz habe ihm geholfen, seine Mittelmäßigkeit zu überwinden. Wie ehrgeizig Giovanni Vetere ist, offenbart ein Blick in sein Depot. Auf dem Dachboden dokumentiert eine Flut an Bildern, Skulpturen und bemalten Alltagsgegenständen - alle unverkäuflich - , wie der Fabrikarbeiter zum Künstler avancierte.

"Das war das erste Bild in meinem Leben." Der Mann deutet auf ein Werk vom 24. Dezember 1972, auf dem dunkle Farben dominieren. "Da war ich ganz tief unten", sagt er. "Aber die offenen Augen waren schon da." Sie sind es bis heute. Er habe erst einmal bewältigen müssen, was in ihm war, erklärt Giovanni Vetere. Das gelang ihm über seine Kunst, die er durch kontinuierliches Üben perfektioniert hat. "Ich habe auf alles gemalt, was ich bekam", so der Künstler. Der "Prozess", den er in Form unzähliger Bilder in einen Schrank gepackt hat, endete 1979 mit seinem ersten Kopf in Freskotechnik:

"Hier wusste ich, dass ich angekommen bin." 35 Mark verdiente er 1976 laut seinem Auftragsbuch mit seiner Kunst, heute ist ein echter Vetere mehrere 10 000 Euro wert. Der Erfolg ist dem Künstler aber nicht zu Kopf gestiegen, er ist bescheiden. In seinem Atelier arbeitet er am kleinsten Tisch, einer aufgebockten Platte. Und wie sieht ein ganz normaler Tag im Leben des Giovanni Vetere aus? "Erst einmal gehe ich ins Atelier", sagt er. Anschließend spaziere er durch das Dorf, kehre im Café ein. "Für die Kommunikation", verrät Vetere. Hier sammele er Informationen, die er in seinen Werken verarbeite.

Zurück aus dem Dorf, arbeitet er im Garten - und nach dem Mittagessen geht es raus in die Steine: "Dann habe ich genug Kraft." Was ihn von Geburt an antreibt, sei das Bestreben, immer etwas besonderes zu machen, resümiert Vetere. Sein nächstes, besonderes Projekt sei ein Pendant zum Eitorfer Skulpturental: ein Skulpturenberg in Strongoli. Kalabrien ist ihm trotz jahrzehntelanger Abwesenheit nach wie vor Heimat. Er sei und bleibe ein Bauernjunge, versichert Vetere und ergänzt mit einem Lächeln: "Ich bin eben, wie ich bin."

LebenswegIn Strongoli kam Giovanni Vetere am 3. Dezember 1940 als Sohn eines Kleinbauern zur Welt. Das Leben in dem Bergdorf im süditalienischen Kalabrien empfand er als einengend, daher zog es ihn mit 17 Jahren nach Turin. 1961 kam Vetere per Arbeitsvertrag nach Deutschland, arbeitete in einer Fabrik in Wissen, genoss das "dolce vita".

Ein Autounfall veränderte sein Leben. Vetere ging auf Sinnsuche, verbesserte sein Deutsch, lernte seine Frau Brigitte kennen. Nach der Heirat 1968 zog das Paar nach Troisdorf. Giovanni Vetere arbeitete bei Dynamit Nobel und engagierte sich für politische Belange von Ausländern. Nach der Geburt von Tochter Carmen Clea fand er zur Kunst, entschied sich 1972, Künstler zu sein. Die erste Ausstellung folgte ein Jahr später, 1975 eröffneten die Veteres ihre Galerie. Vor 21 Jahren zog der inzwischen international anerkannte Künstler samt Familie, Atelier und Galerie nach Eitorf. (otn)

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