Bonner Oper Italienische Aterballetto erntet Beifallsstürme

BONN · Wie riesige Windmühlenflügel sind die spitz zulaufenden Stoffbahnen auf der Opernbühne aufgespannt - ein erster Hinweis auf die Identität der traurigen Gestalt, die hier ihren Träumen nachjagt: "Don Q" heißt Eugenio Sciglianos Choreografie des Cervantes-Stoffes, eine brandneue Produktion, die die italienische Vorzeige-Compagnie Aterballetto mit nach Bonn gebracht hat.

 Kraft, Akrobatik und Poesie: Aterballetto in Bonn.

Kraft, Akrobatik und Poesie: Aterballetto in Bonn.

Foto: Thilo Beu

Zu klassischer spanischer Musik und experimentellen Klängen von Kimmo Pohjonen nehmen Don Quichotte und sein treuer Gefährte Sancho Pansa den Kampf gegen Windmühlenflügel und andere Ungeheuer auf. Ein Holzstuhl mit Pferdehufen auf Rollen ist auch dabei: Rosinante auf das Wesentliche reduziert.

Das kann man von der Choreografie nicht behaupten. Sparsame Gesten sind mit den Heldenträumen des Ritters nicht kompatibel; seine expressive Körpersprache lebt von großartigen Kampfgebärden und heroischen Posen, die plötzlich aufweichen und in sich zusammensacken.

Dann schläft Don Quichotte wieder und träumt von schönen Frauen, rauschenden Festen und wilden Kapuzenmönchen, die in rasend schnellen Gruppenszenen über die Bühne wirbeln. Vor den Windmühlensegeln, auf die sich allerhand bewegte Bilder projizieren lassen, ziehen leidenschaftliche Pas de deux und groteske Flamenco-Variationen wie Traumbilder vorüber - in ihrer Sinnlichkeit und ausladenden Körperlichkeit oft das genaue Gegenteil von dem, was die Mission des verhinderten Edelmanns ausmacht: den Sinn für das Wunderbare in der Welt wach zu halten, gegen alle Widerstände, auch, wenn man sich damit einsam und lächerlich macht.

"Don Q" stellt hohe technische und athletische Anforderungen an das gesamte Ensemble, die "Rossini Cards" von Mauro Bigonzetti, dem langjährigen künstlerischen Leiter und Hauschoreografen von Aterballetto, setzen jedoch noch einen drauf. Nach der Pause stehen alle Tänzer im schwarzen Anzug auf nackter Haut aufgereiht vor dem Orchestergraben, in dem Live-Pianist Bruno Moretti Rossini spielt.

Reglos lauschen sie, bis sich einer plötzlich seiner Jacke und Hose entledigt, einen Schritt vortritt und ohne Vorwarnung in den Graben hinabsaust. Mit diesem Knalleffekt beginnt die lockere Folge von Szenen, die Rossinis Musik in witzige und originelle Bilder übersetzen.

Da gibt es ein Festbankett mit synchronem Tischballett der Arme, da feiert ein eng verschlungen getanzter Pas de deux die skulpturale Schönheit des menschlichen Körpers, da gibt es andere Soli und Duette, die das Repertoire des klassischen Balletts mit all seinen großen Posen parodistisch auf die Spitze treiben.

Und immer wieder dramatische Ensemble-Tableaus voller Kraft und Akrobatik, die alles so leicht aussehen lassen, was doch in Wirklichkeit Schwerstarbeit ist. Das durch den spektakulären Startsturz initiierte Spiel mit dem Abgrund setzt sich fort: Tänzer laufen vor, balancieren an der Orchestergrabenkante, können sich auf Zehenspitzen gerade noch abfangen - bis im Finale zur Ouvertüre der "Diebischen Elster" kein Halten mehr ist. Einer nach dem anderen sprintet nach vorn und stürzt sich in die Tiefe.

Nur der letzte nicht: Der stoppt und bleibt stehen. Es ist der anzuglose Springer vom Anfang. Der so einfache wie geniale Schlussgag ist der Startschuss für anhaltende Beifallsstürme.

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