Bonner Theaternacht 2016 Jede Menge Theater

Bonn · Viele Stücke und viele Sprachen: Die 10. Bonner Theaternacht präsentiert am 4. Mai rund 150 Veranstaltungen an 37 Spielorten.

Die Tanzkompanie bo komplex zeigt in der Brotfabrik ihr Stück "Goldberg Variationen oder Eine schlaflose Nacht", choreographiert von Bärbel Stenzenberger

Die Tanzkompanie bo komplex zeigt in der Brotfabrik ihr Stück "Goldberg Variationen oder Eine schlaflose Nacht", choreographiert von Bärbel Stenzenberger

Foto: Lilian Szokody

Internationalität spielt im Jubiläumsjahr der Bonner Theaternacht eine entscheidende Rolle: Bei der zehnten riesigen Gemeinschafts-Werkschau der lokalen Bühnen und Ensembles ist angesichts der gleichzeitig stattfindenden Europawoche die Weltoffenheit der Bundesstadt allgegenwärtig. Neben verschiedenen englisch-, spanisch- und italienischsprachigen Gruppen ist erstmals auch das Institut français sowie nach 2009 erneut die Europäische Kommission beteiligt, die am Mittwoch, 4. Mai, einige Akzente setzen wollen. Dazu kommen Stücke, die sich mit dem Themenkomplex Flucht und Heimat auseinandersetzen, sowie zahlreiche weitere Programmpunkte von Comedy und Kabarett über Tanz bis hin zu Oper. Bei 37 Spielorten mit insgesamt 150 Veranstaltungen dürfte jeder fündig werden, der bereit ist zu suchen.

Der Bonner Comedian Dave Davis, der in diesem Jahr zusammen mit Kulturdezernent Martin Schumacher die Schirmherrschaft der Theaternacht übernommen hat, zeigt sich über den internationalen Schwerpunkt sehr erfreut: „Meine Heimatstadt Bonn habe ich stets als sehr weltoffen erlebt“, sagt er und verweist auf seine Jugend: „Ich war zunächst im amerikanischen Kindergarten in Plittersdorf. Die Kinder dort kamen aus aller Herren Länder. Zu Hause wurde Luganda gesprochen, im Kindergarten Englisch und auf dem Spielplatz Deutsch“, sagt Davis. „Und Platt habe ich von den Eltern und Großeltern meiner Kumpels gelernt.“

Die dort gelebte Vielfalt spiegele auch die Theaterszene der Bundesstadt wider. „Die internationale Ausrichtung unserer Stadt war gerade nach dem Verlust des Hauptstadtstatus eine dem Ansehen und Image zuträgliche Entscheidung.“ Kulturoffenheit mache sich eben bezahlt.

Dem Erhalt des Europäischen Gedankens sind denn auch verschiedene Ensembles verpflichtet. Die Europäische Kommission präsentiert „EU Only Live Twice“ von Katja Hensel und nimmt dabei die politische Arbeit in Brüssel und Straßburg sehr genau unter die Lupe, während das Euro Theater Central, das seine Tradition bereits im Namen trägt, die ohnehin vorhandene Mehrsprachigkeit des Hauses noch weiter ausdehnt.

Zusammen mit dem jungen GIFT-Ensemble, das am Mauspfad eine Heimat gefunden hat, verpasst es dem bereits zum Kult gewordenen Speed Acting eine Frischzellenkur. Dabei treffen die Besucher unter anderem auf Othello, Attila und Hitler, die auf Deutsch Italienisch oder Französisch das Gespräch suchen.

Daneben ist die Brotfabrik ein zentraler Ort für das Bonner Welttheater, hier spielt die Bonn University Shakespeare Company die Dostojewski-Parabel „Der Großinquisitor“, das George-Bernard-Shaw-Stück „Overruled“ und eine stark gekürzte Fassung von „Much Ado About Nothing“, während parallel dazu wie die spanisch-deutsche Gruppe LaClínicA Ausschnitte aus einer Performance im Stile Luis Buñuels aufführt.

Auch das Migrapolis Haus der Vielfalt hat sich dem internationalen Gedanken verschrieben. Und im Haus der Springmaus sind unter anderem Carmela de Feo, „die kleine, charmante, schwarze, italienische Ratte aus dem Ruhrpott“, sowie der Stand-Up-Comedian Ill-Young Kim zu sehen.

Für einen besonderen Höhepunkt sorgt das Institut francais, das sich erstmals an der Theaternacht beteiligt und extra die Equilibristin Christel Dubois und den malischen Tänzer und Choreograph Aly Karembe nach Bonn holt. Am Alten Zoll werden die beiden Bewegungskünstler sich in einer Rauminstallation des Bildhauers Daniel Buren begegnen.

„Wir wollten ohnehin in diesem Jahr einen modernen französischen Zirkus einladen, so dass sich die Kooperation mit der Theaternacht anbot“, sagt Kathrin Kühn, die beim Institut das Kulturprogramm koordiniert. „Wir freuen uns, die Kompagnie BurenCirque gewonnen zu haben, die in ihren Arbeiten mit traditionellen Codes bricht. Gleichzeitig können wir so eine Outdoor-Veranstaltung anbieten, die für viele Leute offen ist und die verschiedene Darstellungsformen miteinander in Beziehung setzt.“

Auf diese Weise verknüpft das Institut français zugleich den internationalen mit dem tänzerischen Aspekt, der in der diesjährigen Theaternacht ebenfalls einen besonderen Stellenwert einnimmt. Denn neben der bereits etablierten Reihe „Performance Now!“ im Theater im Ballsaal, bei der das Fringe Ensemble auf Cocoondance trifft, ist auch in der Brotfabrik und in der Probebühne 5 bewegungstechnisch einiges los.

Am erstgenannten Ort zeigt die Seniorcompany Go.old eine Umsetzung von Loriots Ausspruch „Altern ist eine Zumutung“, während auf dem Gelände der Halle Beuel die Bonner Tanzkompanie bo komplex auf das Ballett Koblenz und die Tanzcompagnie des Stadttheaters Gießen trifft – die drei Formationen zeigen Ausschnitte aus ihren Choreographien.

Natürlich kommt auch die Theaternacht nicht an der gegenwärtigen Flüchtlingssituation vorbei. So greift die Theatergruppe Fulminant im Hörsaal 17 der Universität Bonn Anna Seghers' autobiografisch gefärbten Roman „Transit“ auf, der von den vor den Nazis fliehenden Deutschen erzählt, die im Sommer 1940 in Marseille auf eine Ausreise nach Mexiko hofften. In einer ähnlichen, wenn auch Kammerspiel-artigen Szenerie zeigt das Euro Theater Central Brechts „Flüchtlingsgespräche“ – und die Alanus Hochschule widmet sich auf der Probebühne 4 in Beuel mit jeder Menge Musik dem Begriff Heimat.

Mehr gibt es, viel mehr, zu viel, um alles aufzuzählen. Schirmherr Dave Davis freut sich auf jeden Fall schon auf „Die Sehnsicht der Maybrit Illner“ in der Brotfabrik: „Da verarbeiten zwei Künstler ihre Kritik an deutschen Talkshows in einem Tanzstück. Das nenne ich mal verrückt.“

Opern-Fans dürften dagegen vor allem die Möglichkeit genießen, erstmals eine offene Bühnenprobe von Nikolaus von Rezniceks „Holofernes“ zu erleben. Und wer auf einen Lokalbezug Wert legt, sollte sich die Farce „Die letzten Tage von Haribo“ des Faust Drei Unternehmenstheaters nicht entgehen lassen.

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